Dr. House
House sich für etwas interessiert und wir uns für House, dann überträgt sich das.
Auch wenn sie sich notwendigerweise Freiheiten herausnehmen, was die Geschwindigkeit des Verlaufs und Behandlungserfolgs einiger Krankheiten angeht, ganz sicher auch bei der Windeseile, mit der Testergebnisse präsentiert werden, versuchen die Autoren doch, den Kern einer Krankheit korrekt darzustellen. Nachdem er einen Zeitungsbericht über ein autistisches Kind und dessen Schwierigkeiten bei einem Besuch im Krankenhaus gelesen hatte, beschloss David Hoselton, House mit einem ähnlichen Kommunikationsproblem zu konfrontieren (»Sandkastenspiele«). »Ich recherchierte sehr viel, wir engagierten jemanden, der mit autistischen Kindern arbeitet, und besuchten eine Schule«, erzählt Hoselton. »Wir wollten genau sein und es nicht oberflächlich abhandeln. Wenn wir das verbockt hätten, wären viele Eltern sehr sauer gewesen.«
In »Schritt für Schritt« wurde bei dem Patienten am Ende Morbus Fabry diagnostiziert, eine Erbkrankheit, bei der sich mit der Zeit in den Zellen fettige Substanzen bilden. Sie kommt äußerst selten vor, die Wahrscheinlichkeit beträgt 1:117 000. Die Krankheit ist so selten, dass jemand, der die ersten Symptome im Alter von zehn Jahren zeigt, im Durchschnitt erst mit achtundzwanzig die richtige Diagnose bekommt. Nachdem die Sendung ausgestrahlt wurde, hörte David Shore von einem Morbus-Fabry-Patienten in Kanada, der berichtete, die Erwähnung seiner Krankheit habe dazu beigetragen, dass die Krankheit vom Staat anerkannt und die Behandlung finanziert wurde.
Dr. House hat eine besondere Verbindung zur »National Alliance on Mental Illness« (NAMI), und der Beitrag der Serie zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen wird von NAMI geschätzt. NAMI und Dr. House gehen von House’ zentralem Grundsatz aus, jeder Mensch lüge – und psychisch kranke Menschen nicht mehr als andere, wie fälschlicherweise oft angenommen wird. Und obwohl es fast nie Lupus ist, haben Fürsprecher
von Lupus-Betroffenen Dr. House dafür gelobt, das öffentliche Bewusstsein für diese Krankheit geschärft zu haben.
Wobei die Serie keine volkspädagogischen Ziele verfolgt. Nimmt jemand etwas mit, wenn er eine interessante Geschichte sieht, und lernt dabei, besser auf sich oder seine Familie zu achten, zum Beispiel, was das Impfen der Kinder betrifft (in »Falsche Geschichten« informiert House ein Elternpaar darüber, dass es Kindersärge in allen Farben gibt), oder die Tatsache, dass Babys keine Rohkost vertragen (»Schade, dass Ihre Vorfahren ein Geheimnis nicht entschlüsseln konnten: das Feuer«, sagt House den Eltern in »Verluste«), oder dass man sich besser nicht selbst beschneiden sollte, ist dies das Tüpfelchen auf dem »i«.
Oft reagieren Menschen, die mit einer bestimmten Krankheit vertraut sind, auf die Geschichten und sagen: »Meine Erfahrungen widersprechen dem, was Sie zeigen.« Darauf antwortet David Foster »Das mag sein. Bei unserer Sendung geht es um den Fall, der mit einer Wahrscheinlichkeit von eins zu einer Million auftritt, um die Rarität, um das, was, wenn es so auftreten würde wie immer, schon längst von anderen diagnostiziert worden wäre und deshalb nicht bei House landen würde. Wir zeigen eine gewöhnliche Krankheit, die sich alles andere als gewöhnlich präsentiert. Wir zeigen den seltenen, aber auch den Normalfall und erzeugen so das Gefühl: ›Das könnte mir auch passieren.‹«
Befürchten die medizinischen Berater oder die Autoren, dass ihnen eines Tages die Geschichten ausgehen könnten? Mit einem Wort: Nein. Unser Körper ist genau wie der Mensch als fühlendes Wesen in der Lage, unendlich viel zu lügen und Mist zu bauen. Dr. House fördert das Außergewöhnliche zutage, aber die uns vertrauteren Leiden, die in anderer Form auftreten, beunruhigen uns mehr (»Ich wusste gar nicht, dass meine Ohrenschmerzen ein Anzeichen für einen Herzinfarkt sein
können«), und davon gibt es so viele. »Was schlecht für die Menschheit ist, ist gut für uns«, sagt David Foster lapidar. »Wir werden uns noch lange medizinische Krimis ausdenken können, und House ist einfach eine fesselnde Figur.«
David Foster war nicht immer so zuversichtlich: »Die zweite Folge nach dem Pilotfilm war ›Das Ende danach?‹. Als sie fertig war, sagte ich: ›Okay, ich habe alles erzählt, was ich weiß. Ich habe jede Information verwendet, die mir zur Verfügung stand. Ich habe nichts mehr übrig. Der Hahn ist
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