Dr. med. Erika Werner
Augen brannten vor Zorn. Hübsch, dachte er, und jung …
»Das alte Spiel, liebe Kollegin. Männer kommen sich immer unendlich überlegen vor! Beachten Sie sie nicht! Wie lange sind Sie bei uns?«
»Vierzehn Tage, Herr Oberarzt. Auf Station III. Es ist meine erste Stelle …«
»Vierzehn Tage schon, und ich habe Sie noch nicht gesehen? Das soll anders werden. Sicherlich habe ich einen blauen Fleck auf der Brust. Ich werde ihn – wie heißen Sie übrigens?«
»Erika Werner.«
»Richtig! Ich werde den blauen Fleck ›Hämatom Erika Werner‹ nennen!«
Erika spürte, daß sie bis unter die Haarwurzeln rot anlief. Bornholm schien es nicht zu merken. »Alles klar, meine Herren?« wandte er sich an sein Team.
»Patientin wird eben intubiert.«
Bornholm sah auf die Uhr. Noch zehn Minuten. »Ich darf Ihnen eine neue Kollegin vorstellen. Dr. Erika Werner. Die Begrüßung durch Sie war nicht gerade korrekt. Ich nehme an, daß Sie sich in Zukunft zu benehmen wissen.«
Bornholm ging als erster in den Vorbereitungsraum. Die anderen warteten und sahen auf Erika.
»Nach Ihnen«, sagte einer. In der Stimme lag so viel Spott, daß Erika stehenblieb und als letzte den Raum betrat.
»Wir werden eine transpleurale hintere Mediastinotomie machen«, sagte Bornholm, während er sich die Arme schrubbte und immer wieder unter das heiße Wasser hielt. »Das Neurinom ist ziemlich zentral. Lassen Sie die Patientin in die Overholtsche Bauchlage bringen.«
Der 1. Assistent nickte. Erika sah, wie er durch ein Telefon die Anweisung in den OP gab.
Mit erhobenen Händen stand Bornholm im Raum. Eine Schwester band ihm die Gummischürze um, eine andere streifte ihm die Handschuhe über. Mundtuch und Kappe wurden aus den Sterilbehältern genommen.
Das Telefon summte. Vom OP rief die Oberschwester an. Alles fertig.
»Wir können«, sagte der 1. Assistent.
»Sie werden die Nummer vier machen«, sagte Bornholm zu Erika. »Und passen Sie genau auf: Wenn ich ›sperren‹ sage, müssen Sie die Wundspalte mit dem Rippensperrer weit offenhalten.«
»Ich will mir alle Mühe geben«, sagte Erika leise.
»Nur Mut!« Bornholm nickte ihr zu.
Fasziniert sah sie, wie Bornholm den Mediastinalraum öffnete, wie er die Pleurakuppel und den großen Tumor freilegte. Ein fast faustdickes Gewächs, das die obere Hohlvene abzudrücken begann und mit ihr die Venen am Hals und im Brustkorb.
»Das ist ein Klotz, was?« sagte Bornholm zufrieden. »Vor zwanzig Jahren war so ein Eingriff noch eine Großtat, unsere Eltern waren rettungslos verloren, und bei unseren Großeltern konnte man so etwas noch nicht einmal diagnostizieren. So herrlich weit haben wir's gebracht! Nur gegen den Schnupfen gibt's kein Mittel!«
Die Ärzte lachten. Ein Bornholm-Witz mußte belacht werden. Bornholm galt als der kommende Mann …
Vorsichtig trennte Bornholm das Neurinom heraus. Blutungen wurden sofort gestillt, die Wundhöhle mit einem Sauger freigehalten. Die letalen Schnitte machte Bornholm mit einem Elektromesser. Die feinen Blutgefäße schlossen sich dabei von selbst.
Bornholm sah zu Erika, als er den Tumor gelöst halte.
›Na‹, hieß dieser Blick, ›Nummer vier, wo bleibst du?‹
Erika beugte sich über die Operationshöhle. Mit beiden Händen griff sie hinein und umfaßte den Tumor. Ganz vorsichtig hob sie ihn heraus, den Tod, den Bornholm herausgeschnitten hatte. Jetzt nichts mehr als ein widerlicher Klumpen.
Sie warf ihn in den Eimer unter den Tisch. Der 1. Assistent reinigte die Wundhöhle. Unter dem Kopf des Mädchens saß der Anästhesist, das Stethoskop in den Ohren. Die Membrane hatte er mit Leukoplast auf die Brust des Mädchens geklebt. Neben ihm zitterten die Zeiger der Kontrolluhren.
»Atmung normal – Puls weich – Herz unregelmäßig …«
Auf einen Wink Bornholms wurde eine Blutkonserve angesetzt. Während das frische Blut in den Körper floß, suchte er in der Tiefe der Brustkorbhöhle nach möglichen kleineren Tumoren.
Erika hielt einen starken Handscheinwerfer in die Wundhöhle.
»Nichts«, sagte Bornholm zufrieden. »Wir können zumachen.« Er nickte dem 1. Assistenten zu und trat vom OP-Tisch zurück. Seine Arbeit war getan. Das Schließen der Wunde war Assistentenarbeit.
»Sie können mitkommen, Fräulein Werner«, sagte er. »Das machen die Kollegen schon allein.«
Gehorsam trat Erika von der Patientin zurück. Sie sah nicht, wie die Blicke der Ärzte ihr folgten, als sie den OP verließ.
»Was hat er denn?« fragte der 1.
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