Dr. med. Erika Werner
Verteidigung selbst in die Hand nehmen.«
Bornholm lächelte siegessicher. »Aber das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Gerade jetzt, wo wir so großartige Fortschritte gemacht haben, kommen Sie mit solchen Bedenken? Ich bitte Sie, Doktor, nehmen Sie Vernunft an. Wir haben den Sieg in der Tasche! In ein paar Wochen spricht niemand mehr davon, wie wir ihn errungen haben. Dann sind Sie beide obenauf. Dann sind Sie die erfolgreichen Verteidiger des unschuldig verfolgten Professors Bornholm – und Ihr dickes Honorar haben Sie außerdem in der Tasche!«
Der ältere Anwalt richtete sich steif auf. Aber bevor er etwas sagen konnte, legte sein Partner das Besteck mit einer heftigen Bewegung nieder.
»Ober, zahlen!« sagte er laut.
Bornholm sah ihn erstaunt an. »Was haben Sie denn plötzlich?« fragte er ironisch.
Der Anwalt beugte sich vor. »Das will ich Ihnen gern sagen, Herr Professor – und ich bin sicher, daß ich auch im Sinne meines Kollegen spreche. Ich habe gehört, was Sie vorhin zu Professor Berrenrath sagten. Sie haben von ihm verlangt, er solle eine falsche Aussage machen – als vereidigter Gutachter!«
»Das ist nicht wahr!«
»Das ist sehr wohl wahr«, entgegnete der Anwalt kühl. »Sie haben es anders ausgedrückt, aber im Endeffekt kam es auf das gleiche heraus. Außerdem habe ich Ihre Aussage gehört. Ich bin zu der Überzeugung gekommen: So handelt kein Unschuldiger.«
Bornholms Augen glühten. Sein Kinn schob sich eckig vor und gab seinem Gesicht den brutalen Ausdruck, den er gewöhnlich hinter seinem strahlenden Lächeln verbarg.
»Was wollen Sie damit sagen?« fragte er scharf.
»Die Frage dürften Sie sich selbst beantworten«, entgegnete der Anwalt ungerührt. Er zog einen Schein aus der Brieftasche und hielt ihn dem Kellner hin. »Ich bin kein Richter. Als Anwalt habe ich sowohl Unschuldige als auch Schuldige zu verteidigen. Nur eine Art von Leuten verteidige ich nicht: solche, die ihre eigenen Verteidiger lächerlich machen.«
Er erhob sich ruhig. Sein Partner folgte seinem Beispiel.
»Wir legen hiermit Ihre Verteidigung nieder, Herr Professor Bornholm. Guten Tag.«
Bornholm erwiderte die knappe Verbeugung nicht. Er starrte vor sich hin. Erst als der Kellner zum drittenmal »Herr Professor« sagte, sah er auf.
Vor ihm stand Professor Rahtenau.
»Du gestattest, daß ich mich setze«, sagte Professor Rahtenau mit Würde.
»Selbstverständlich.« Verwirrt wollte Bornholm aufspringen. Aber der Kellner hatte dem alten Herrn den Stuhl schon zurechtgerückt. Rahtenau setzte sich.
»Ich habe das Gericht angerufen und mich nach dem Stand des Prozesses erkundigt«, begann er sofort. »Ich habe gehört, daß deine – Beredsamkeit wieder einmal einen Sieg errungen hat.«
Bornholm hörte ihm mit unbewegtem Gesicht zu. Nur seine Augen glänzten fieberhaft. Daß seine Anwälte, die er als bessere Diener angesehen hatte, seine Verteidigung niederlegten, hatte seinem Selbstbewußtsein einen schweren Stoß versetzt. Ganz abgesehen von dem Eindruck, den dieser Schritt auf das Gericht machen mußte. Er hätte Zeit gebraucht, um damit fertig zu werden. Um sich etwas auszudenken. Wie er den Anwälten gekränkte Eitelkeit vorwerfen könnte. Wie er sie anschwärzen könnte, bis er wieder als der schuldlos verfolgte Held dastand.
Aber er hatte keine Zeit. Rahtenau saß ihm gegenüber. Eine neue Gefahr. Größer als alle anderen vielleicht. Weshalb konnte der Alte nicht die Schnauze halten!
»Außerdem habe ich mit Doktor Plattner gesprochen«, fuhr Professor Rahtenau fort. »Er hat mir sehr eindringlich geschildert, welche menschlichen und moralischen Folgen deine – Handlungen bisher gehabt haben und in Zukunft noch haben werden.«
»Dieser Verleumder! Ich werde …«
Rahtenau ließ ihn nicht ausreden.
»Dr. Plattner hat die Wahrheit gesagt.«
»Er hat gelogen!« schrie Bornholm. Seine Lippen zitterten. Rote Flecke erschienen auf seinen Wangen.
»Beherrsche dich«, befahl Rahtenau kalt. »Du bist hier nicht in deiner Klinik. Die Herren drüben am Fenstertisch hören sowieso schon recht interessiert zu.«
Bornholm ließ sich zurücksinken. Er öffnete und schloß die Hände in hilfloser Wut.
»Wenn du denkst, daß du mich hier in die Enge treiben kannst«, preßte er zwischen den Zähnen hervor, »dann irrst du dich. Ich weiß immer noch Mittel …«
»Niemand braucht dich in die Enge zu treiben«, sagte der alte Professor. »In diese Enge hast du dich ganz allein getrieben. Durch deine
Weitere Kostenlose Bücher