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Dr. Ohio und der zweite Erbe

Dr. Ohio und der zweite Erbe

Titel: Dr. Ohio und der zweite Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Stichler
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ausführlich zu studieren schien, zog eine mit feinem Goldrand umfasste, halbe Lesebrille von der Nase und ging mit ausgestrecktem Arm auf ihn zu. Auf der Innentasche seines aus feinem, dunkelblauem Tuch gewebten Jacketts war das große Emblem einer Marke oder eines Colleges zu sehen. Die Haushälterin setzte sich still auf einen Stuhl neben den Gärtner.
    „Dr. Ohio, nehme ich an“, sagte Dr. Laudtner und schüttelte ihm weich die Hand. Er war Ende 30, schätzte Ohio. Seine halblangen, etwas ungepflegt wirkenden schwarzen Haare hatte er mit Gel nach hinten gekämmt, wo sie über den Kragen seines gestreiften Hemds ragten. Sein Kopf und seine Statur wirkten massig, aber kraftlos. Das teigige Gesicht und die weichen, schlaffen Wangen erinnerten Ohio an das Verspeisen von zu viel Gänseleberpastete mit süßen Weinen.
    „Bitte. Darf ich Sie bitten, Platz zu nehmen?“ Er zeigte mit der Hand auf einen freien Stuhl. „Sie wissen es sicher schon. Es geht um den tragischen Tod von Herrn Höpfner. Charlie“, sagte er, als müsse er die Nähe zum Toten mit dem Erwähnen seines Vor- beziehungsweise Spitznamens betonen, lächelte automatisch und hielt einen Augenblick inne, als würde er dem Klang des Namens nachlauschen. Und als sei das genug des Gedenkens an den Toten, machte er plötzlich eine für seine Körperfülle erstaunlich graziöse Kehrtwende und setzte sich wieder hinter den großen Schreibtisch.
    „Tja“, fuhr er fort, setzte die Lesebrille auf und nahm ein Schriftstück in die Hand. „Tja. Unsere Kanzlei vertritt die Angelegenheiten der Familie Höpfner schon über Generationen. Deshalb liegt die traurige Pflicht der Testamentsverwaltung und -eröffnung auch bei mir.“ Er sah über den Rand der Brille jeden einzelnen der Anwesenden an. „Erst vor kurzem war Herr Höpfner – Charlie – bei mir und hat zu seinem Testament einen verschlossenen Brief legen lassen. Er soll, so sein Wille, sofort nach seinem Tod im Beisein der anwesenden Personen verlesen werden. Noch bevor das Testament eröffnet oder seine persönlichen Angelegenheiten geordnet sind.“
    Mit einem Schlag klappte Wieri das Buch zu, in dem er geblättert hatte, warf es auf einen der Lesetische und kam näher. Alle waren zusammengezuckt. Wieri setzte sich mit nach vorne gebeugtem Oberkörper auf die Kante eines Sessels, die Ellbogen auf die Knie gelegt und die Spitzen seiner Finger leicht ineinander verflochten. Mit seinen wässrigen Augen fixierte er den Anwalt. Dr. Laudtner räusperte sich und strich seine Haare glatt.
    „Ja, also ...“ Das Öffnen des Umschlags zerriss die angespannte Stille. Der Anwalt zog einen gefalteten Bogen Papier heraus, entfaltete ihn und huschte mit schnellen Augen darüber.
    Während er mit unbewegter Stimme vorlas, rutschte die kleine zusammengesunkene Frau auf ihrem Stuhl nach vorne. Die Haushälterin ließ ein kleines Schniefen hören und Wieri schien den Anwalt mit seinen Blicken ertränken zu wollen. Dr. Ohio schweifte ab, hinaus durchs Fenster nach draußen, während er den Formalien lauschte, die der Anwalt vorlas.
    „... im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte ... verfasse ich diesen Zusatz ...“
    Draußen lösten sich Sonne und Wolken in schnellem Rhythmus ab und zeichneten wunderliche, vergängliche Muster auf das Geländer des Balkons und den schwarzen Wald weiter hinten. Sonne-Wolken-Mix heißt das im flotten Meteorologen-Slang, dachte Dr. Ohio. Dann konzentrierte er sich wieder auf Dr. Laudtner.
    „Dieser Zusatz zu meinem Testament soll sicherstellen, dass meine Angelegenheiten nach meinem Ableben in meinem Sinne geregelt werden“, las der Anwalt. „Ich habe deshalb nachträglich zwei Personen zu Verwaltern meines Testaments bestimmt. Zu diesem Zeitpunkt fühle ich mich wohler beim Gedanken zu wissen, dass diese zwei Personen für die Vollstreckung meines Nachlasses sorgen werden. Wie es jetzt ist, wenn Sie diese Zeilen lesen, weiß ich ja noch nicht ...“
    Värie Wieri zuckte mit einer Augenbraue. Das Los der Ungläubigen ist es, ewig in Unwissen zu leben. Wieri hatte Höpfner so lange bei seinen Studien zum Calvinismus unterstützt. Und dann war er vom Glauben abgefallen ... Und Abtrünnige werden bestraft ... Er selbst war bekennender Anhänger und hatte keine Zweifel, was mit Carl Höpfner geschehen war und wo er sich befand.
    „Ein Verwalter soll Dr. Laudtner sein“, las der Anwalt weiter. „Seine Kanzlei hat sich stets um die Angelegenheiten meiner Familie gekümmert. Er hat Einblick

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