Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dr. Ohio und der zweite Erbe

Dr. Ohio und der zweite Erbe

Titel: Dr. Ohio und der zweite Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Stichler
Vom Netzwerk:
vorsichtig und fuhr an Boris gewandt fort: „Viele Leute und viele Gründe, Sie umzubringen, gibt es nicht. Aber die wenigen Gründe sind stichhaltig.“
    „Ich ahne, was Sie sagen wollen, aber ich kann es einfach nicht glauben.“ Boris sah beide betroffen an.
    „Ich habe unseren Verdacht noch nicht der Polizei mitgeteilt. Ich will niemanden vorschnell verleumden. Aber was sollte es sonst für Gründe geben, auf Sie zu schießen?“
    „Verleumden.“ Erika schnaubte verächtlich. „Wer soll denn sonst infrage kommen, außer dieser verrückte Calvinist oder der schmierige Anwalt?“
    „Sie meinen Dr. Laudtner und ... wie hieß der Assistent meines Onkels?“
    „Wieri. Värie Wieri. Ein Finne. Ein fanatischer Finne, dessen Verstiegenheiten tatsächlich dazu führen könnten, dass er zu einem Mord fähig wäre. Bei Dr. Laudtner kann ich mir das nicht vorstellen. Er ist meiner Meinung nach zu feige. Aber ganz auszuschließen ist es nicht. Es kommt auf die Prioritäten an. Und Geld steht bei ihm ziemlich weit oben.“ Dr. Ohio schaufelte noch ein paar Bratkartoffeln auf seinen Teller.
    „Darf ich? Schmeckt ausgezeichnet.“
    „Greifen Sie zu.“ Boris nickte aufmunternd. Dann wurde er nachdenklich. „Tja, wer auch immer es war: Er hat dem armen Mann jedenfalls drei Kugeln in den Rücken gejagt. Es ärgert mich noch jetzt ... Ich hätte ihm gleich folgen sollen. Es wäre ein Kinderspiel gewesen, ihn zu schnappen.“
    „Na ja“, meinte Erika lakonisch. „So im Dunkeln? Was hätten Sie gemacht? Er hatte ja wahrscheinlich noch ein paar Kugeln in seiner Pistole. Ich glaube, da passen mehr als drei rein.“
    Boris schmunzelte.
    „Das kommt auf den Typ an. Aber Sie haben recht. Wahrscheinlich hatte er noch welche übrig. Ich würde mal mindestens auf drei weitere tippen.“ Er wechselte mit einem leisen Bedauern wieder zum Sie, nachdem Erika das Du nicht beibehalten hatte.
    „Kennen Sie sich aus?“, fragte Erika interessiert.
    „Ein bisschen“, sagte Boris ausweichend. „Aber das hätte Ihnen auch jedes Kind sagen können.“
    „Wieso?“, fragte Erika ärgerlich.
    „Na ja“, meinte Dr. Ohio, „ich glaube, in den klassischen Revolver passen sechs Kugeln. Sie wissen doch, die Dinger, die in den Western benutzt werden und mit denen die Kinder als Spielzeug rumrennen. Ich kenne mich nun wirklich nicht aus, aber heutzutage gibt es auch Waffen, in die mehr als sechs Kugeln reinpassen.“
    „Hm“, machte Erika. „Ich war nie als Cowboy verkleidet.“
    „Das macht doch nichts“, sagten Boris und Dr. Ohio gleichzeitig und lachten.
    Die Sonne war am Untergehen und die Blätter der Bäume glühten in ihrem klaren Licht. Der Himmel war gelbrosa gefärbt und die Wiese leuchtete. Wäre diese Sache mit dem Anschlag nicht gewesen, dann ... Dr. Ohio wusste auch nicht, was dann wäre, aber ihn überkam eine seltsam melancholische Stimmung. Er hatte Boris beobachtet und es war ihm nicht entgangen, dass er sehr um Erika bemüht war. Das war kein Wunder, es wäre eins gewesen, wenn es anders gewesen wäre. Aber es war auch noch nie – jedenfalls, seit er Erika kannte – vorgekommen, dass sie sich so lange und eingehend mit einem anderen Mann unterhalten hatte. Allerdings, sagte er sich, habe ich ja keine Ahnung, was sie in ihrer Freizeit macht.
    Sollte das Eifersucht sein, was er da spürte und als Sentimentalität kaschierte? Und wenn schon. Warum nicht den Sonnenuntergang genießen und noch ein Glas von diesem ausgezeichneten Wein? Boris schlug vor, einen kleinen Spaziergang zu machen, hinüber zum Gut, das zwischen den Bäumen lag. Erika wollte gerne, aber Dr. Ohio winkte ab.
    „Wenn ich mir noch einen Schluck von Ihrem Wein nehmen darf, dann bleibe ich lieber hier und genieße die letzten Sonnenstrahlen“, sagte er.
    Erika verzog ein bisschen den Mund und warf ihm einen finsteren Blick zu. Aber Dr. Ohio ließ sich nicht überreden. Boris hatte nichts dagegen, im Gegenteil. Er holte noch eine Flasche Wein aus dem Wohnwagen und öffnete sie.
    „Und Sie wollen wirklich nicht mit? Es gibt dort einen beeindruckenden Garten“, versuchte er es noch einmal höflich, und das war mehr, als Dr. Ohio von ihm erwarten konnte. Er hatte das Gefühl, als ginge es Boris um unausgesprochene Rechte oder besser gesagt, nicht deutlich offen liegende Beziehungen. Dieses Mal bemerkte es Dr. Ohio sofort. Nur Erika schien davon nichts mitzubekommen.
    „Können wir jetzt endlich?“, fragte sie ungeduldig. „Sonst ist es dunkel, bis

Weitere Kostenlose Bücher