Dr. Poptlok Luktor und das Tor des Lichts (German Edition)
Tag bereits begonnen hatte, zog er die Vorhänge zurück und starrte in den Regen hinaus. Die Häuser und Gärten waren in dasselbe trübe Licht getaucht wie das aus seinem Traum. Er öffnete einen Fensterflügel und hörte die Vögel singen, die sich vom schlechten Wetter nicht beeindrucken ließen. Die frische, reine Luft besänftigte ihn. Rasch sprach er den Zauber gegen Manipulation und Gedankenlesen.
Nachdem er sich angezogen hatte und nach unten in die Küche gegangen war, entdeckte er auf dem Tisch einen Zettel: „Ich mache meinen morgendlichen Waldlauf. Bin zwischen acht und halb neun zurück. Bleib bitte im Haus! Lacrima.“
Ein Blick auf die Küchenuhr sagte ihm, dass sie gleich kommen musste. Er beschloss, schon mal Teewasser aufzustellen und das Frühstück zu richten.
Da hörte er das Gartentor rappeln und gleich darauf Lacrimas Stimme: „Guten Morgen, Regine. Bist du schon auf? Und bei dem schlechten Wetter draußen?“
„Guten Morgen, Lacrima“, antwortete eine helle Mädchenstimme. „Ich hole ein paar frische Blumen für den Frühstückstisch. Meine Mutter mag sie so gern.“
„ Ach, Regine, wenn ich dich so anschaue, erwacht in mir eine Idee. Hättest du vielleicht heute mal Zeit, zu mir herüberzuschauen?“, fragte Lacrima.
„ Ja, klar. Nach dem Frühstück?“
„ Ja, das wäre schön“, freute sich Lacrima. „Grüß deine Familie. Bis dann.“
Sie betrat das Haus, hängte ihre nasse Jacke ins Bad und wieselte in die Küche.
„Guten Morgen“, rief sie munter. „Dort richtet Regine das Frühstück und hier Nymus. So hilfsbereite, nette junge Leute!“
„ Guten Morgen“, grüßte auch Nymus. „Ist das Mädchen eins der Nachbarskinder, die dir geholfen haben, von dem schwarzmagischen Fluch loszukommen?“
„ Genau.“
„ Ist sie eine Hexe?“, fragte Nymus.
„ Soviel ich weiß, nein. Aber inzwischen bin ich mir da gar nicht mehr so sicher.“
Nach dem Frühstück klopfte Regine an die Tür und trat sogleich ein, da Lacrima die mit einem Zauber geöffnet hatte.
Lacrima stellte die beiden Kinder einander vor, nicht ohne Regine eindringlich zu bitten, niemandem etwas von Nymus zu erzählen.
Nymus musterte das Mädchen. Sie war etwa zwei Jahre jünger als er und kleiner, für ihr Alter jedoch schon recht groß. Sie trug eine Jeans und einen orangeroten Pullover, der mit einem springenden Wolf bestickt war. Ihr langes, blondes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Mit ihren blauen Augen schaute sie ihm offen ins Gesicht.
„Du siehst nicht gerade fröhlich aus, Nymus“, sagte sie direkt.
„ Äh, ja, ich...“ stotterte der. „Darf sie es denn wissen?“, fragte er zu Lacrima gewandt.
„ Eigentlich nicht“, meinte Lacrima. „Aber ich brauche schon wieder deine Hilfe, Regine. Und ich weiß ja, dass du zuverlässig bist und schweigen kannst.“
Regine nickte.
Sie setzten sich an den Küchentisch und Nymus erzählte kurz vom Tod seines Großvaters, dass er entführt werden sollte und dass morgen die Beerdigung sei.
„ Ach so“, erkannte Regine, „und ihr habt nun Angst, dass die Entführer dich auf der Beerdigung schnappen. Und weil die Schwarzmagier sind, ist das für die gar nicht so schwierig. Stimmt's?“
„ Ganz genau“, bestätigte Lacrima.
Nymus wunderte sich, dass Regine sofort an Schwarzmagier gedacht hatte.
Der Blick des Mädchens wanderte über seine Haare, sein Gesicht, seinen Körper bis zu den Füßen.
„ Was für eine Schuhgröße hast du?“, fragte sie unvermittelt.
„ Schuhgröße? Äh, 39. Warum?“
„ Ich hab' erst 36. Aber meine Mutter hat auch 39“, sagte sie. „Das dunkelblaue Kleid, das ich von einer älteren Cousine geschenkt bekommen habe, ist mir noch ein bisschen zu groß, das könnte für dich aber genau richtig sein.“
Jetzt schwante Nymus, worauf sie hinauswollte. „Du willst aus mir doch nicht ...?“
„Doch. Natürlich. Was sonst? Fast alle Buben weigern sich, ein Mädchen zu spielen. Also passt diese Rolle doch. Deine Haare sind auch lang genug, um daraus zwei kleine, süße Zöpfchen zu binden.“
„ Bist du wahnsinnig!“, empörte sich Nymus.
„ Möchtest du lieber erkannt und entführt werden?“, stellte Regine ihn vor die Wahl.
„ Regine, du sagst genau das, worauf ich hinauswollte: Nymus soll morgen ein Mädchen sein“, sagte Lacrima. „Und dass du auch sofort eine Idee hast, was du ihm zum Anziehen bieten kannst, ist eine unschätzbare Hilfe.“
„ Aber ich muss meine Mutter
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