Dr. Poptlok Luktor und das Tor des Lichts (German Edition)
interessiert hatte, hatte sich abermals hereingewagt und sprang gerade auf eine Henne. Nymus stieß einen drohenden Schrei aus. Aber anstatt die Henne loszulassen und sich davonzustehlen, fasste die Katze sie nur noch fester und wollte mit ihr das Weite suchen.
„Angriffszauber!“, schoss es Nymus durch den Kopf. Das weiße Federkleid im Nacken der Henne färbte sich bereits rot. Ob sie überhaupt noch lebte?
Nymus stieß den Zauberspruch hervor und schleuderte gleichzeitig einen Blitz auf die Wildkatze. War das wirklich ein Blitz? Nymus stand einen Moment starr vor Schreck und Verwunderung. Die Katze jaulte auf, ließ die Henne los, wirbelte einmal kläglich miauend um sich selbst, bevor sie davonhetzte.
Der Zauber war gelungen! Aber Nymus hatte keine Zeit, sich drüber zu freuen. Er hastete auf die Henne zu, die im Gras lag und die Augen verdreht hatte.
„ Lebst du noch? Ja, du atmest noch.“ Er spürte, wie sich ihre Brust hob und senkte. Er bettete behutsam ihren Kopf in die eine Hand und ihren Nacken in die andere. „Ich habe schon von deinen Eiern gegessen und wir haben zusammen geübt. Weißt du noch, dass du ziemlich wütend auf mich warst? Trotzdem verstehen wir uns doch gut. Du bist eine schöne Henne und eine stolze Henne. Ich will, dass du heil wirst!“ Und er sprach den Heilzauber gegen Schlangenbisse, obwohl der Laufvogel einen Katzenbiss abbekommen hatte. Bestimmt würde der Zauber dennoch helfen.
Nymus hielt seinen Willen mit aller Kraft auf den Nacken des Vogels gerichtet. Allmählich hörte die Wunde auf zu bluten. Gleichzeitig nahm Nymus eine Bewegung der Augen wahr. Langsam kam die Henne zu sich und sah ihn verwundert an.
Nymus lächelte. „Geht's dir wieder gut?“
Er gab ihr einen Kuss auf den Hals und trug sie vorsichtig ins Gehege.
Das Glück über diesen Erfolg fühlte sich wie ein kleiner, lustig kitzelnder Wirbelwind in seiner Brust an. Nymus lief, nachdem er sich vergewissert hatte, dass der Vogel einen angenehmen Platz zur Erholung gefunden hatte, tanzend um den Burgfried. Das erste Mal seit langer Zeit stahl sich ein fröhliches Frühlingslied über seine Lippen. Er musste an seine Großmutter denken, mit der er oft zweistimmig gesungen hatte. Sie hatte seinen Sopran sehr gemocht.
Jetzt wollte er mit seinem Vater sprechen. Er rief ihn. Er war in einer solchen Hochstimmung, dass er sogleich lossprudelte und seinem Vater erzählte, dass ihm diese beiden wichtigen Zauber gelungen waren.
Der Vater war begeistert. „Wie schaffst du es nur, so schnell so viel zu lernen und es dann auch richtig zu beherrschen?“
Nymus merkte, dass die Stimme seines Vaters, obwohl er sich ehrlich mitfreute, müde klang.
„Was ist? Hast du nicht ausgeschlafen?“ Jäh dämpfte sich seine frohe Stimmung und Sorge trat an ihre Stelle.
„ Ja. Ich schlafe hier schlecht. Ich habe vielleicht auch ein bisschen zu viel Gewicht verloren, denn ich habe in letzter Zeit wenig bis nichts gegessen“, antwortete Tarmak.
„ Aber warum denn? Bekommt ihr im Kerker nichts?“
„ Doch. Aber dieser Fraß bekommt mir nicht.“
„ Wenn du so müde und schwach bist – wie willst du denn dann morgen siegen?“ In Nymus stieg wieder die Angst hoch.
„ Schick mir Kraft, Nymus, dann wird es schon werden!“ Der Vater gab sich zuversichtlich.
„ Ja, das mach' ich und Mutti auch.“ Und Nymus berichtete ihm von dem gestrigen Telefonat.
Dann schilderte er ihm seinen Traum.
„Ich weiß nicht, wo der Totholzer Forst ist“, erklärte Tarmak. „Wir Schwarzmagier wissen normalerweise selbst nicht so genau, wo wir unser Schloss haben. Wir fliegen als Raben durch den Nebel und kommen an dem Ort, den wir uns vorgestellt haben, heraus. Umgekehrt funktioniert es genauso. Den Weg selber bekommen wir gar nicht mit. Deshalb könnte ich dir auf einer Karte nicht zeigen, wo ich lebe.“
„ Das ist ja echt verrückt“, wunderte sich Nymus.
„ Aber dass es eine Verbindung zu einem alten Bergwerk gibt, wäre durchaus denkbar. Hast du schon mit anderen über deinen Traum gesprochen?“, wollte Tarmak wissen.
„ Nur mit zwei Vertrauten.“
„ Gut. Bitte erzähl ihn die nächsten Tage nicht weiter“, bat Tarmak.
„ In Ordnung.“
Die weiße Henne stakste vorsichtig über den Hof. Als sie Nymus erkannte, blieb sie respektvoll stehen und gackerte in seine Richtung, als wollte sie sich bei ihm bedanken. Das sah so drollig aus, dass Nymus lachen musste. Die Schwere wich aus seinem Herzen und er gewann wieder
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