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Dr. Sex

Dr. Sex

Titel: Dr. Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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heftig in ein Mitglied der Basketballmannschaft namens Jim Willard verknallt hatte, in dessen Begleitung sie bereits zweimal von Dean Hoenig ertappt worden war, die ein feines Gespür für die Temperaturentwicklung von Romanzen besaß. Beide Male hatte Laura sich herauswinden können – Jim war ein Freund der Familie, eigentlich sogar ein Cousin, zweiten Grades natürlich, und da Basketball einen so großen Teil seiner Zeit beanspruchte, hatte sie es auf sich genommen, ihm ein bißchen zu helfen –, aber Dean Hoenig war argwöhnisch geworden. Sie war sichtlich empört, als wir gemeinsam durch die Tür traten, und machte eine, wie ich fand, vollkommen unpassende Bemerkung über Hochzeitsglocken, über die ich mich noch ärgerte, als die Vorlesung schon längst begonnen hatte. Jedenfalls saß Laura neben mir, beugte sich über ihren Block und tat weiterhin, als schriebe sie mit, während sie in Wirklichkeit bloß herumkritzelte: Sie malte lange, schlanke Frauengestalten in Kleidern, Pelzmänteln und mit spektakulären Federhüten sowie mindestens ein pochendes, von einem verirrten Pfeil durchbohrtes Herz.
    Was Dr. Kinsey von uns wollte, was er sich von seinem Appell an uns erhoffte, war unsere hundertprozentige Bereitschaft zur Mitarbeit. Wir sollten Termine mit ihm vereinbaren und ihm unter vier Augen die Geschichte unseres Sexuallebens anvertrauen. Für die Wissenschaft. Alles werde verschlüsselt aufgezeichnet und streng vertraulich behandelt – er habe einen Code entwickelt, dessen Schlüssel nur er allein kenne, so daß niemand außer ihm imstande sein werde, einer bestimmten Geschichte einen Namen zuzuordnen. »Und ich muß betonen, daß diese hundertprozentige Bereitschaft unerläßlich ist«, fügte er mit einer kantigen Handbewegung hinzu, »denn alles andere würde die Verläßlichkeit der gewonnenen Statistiken in Frage stellen. Wenn wir nur die Geschichten derer sammeln, die uns aufsuchen, erhalten wir ein sehr ungenaues Bild der gesamten Gesellschaft, doch wenn wir verschiedene Gruppen zu hundert Prozent erfassen – alle Studenten in diesem Hörsaal beispielsweise, alle jungen Männer, die einer studentischen Verbindung angehören, sämtliche Mitglieder des Elks’ Club, die weiblichen Angehörigen der Streitkräfte, die Insassen des Staatsgefängnisses in Putnam –, erstellen wir ein akkurates Bild, in dem alle Gesellschaftsschichten berücksichtigt sind.« Er hielt inne und ließ den Blick über die Reihen der Zuhörer wandern, von rechts nach links, von hinten nach vorn. Eine Stille legte sich über uns. Laura hob den Kopf.
    »Gut«, sagte er schließlich. »Im Dienste dieser Sache stehe ich im Anschluß an die Vorlesung zur Terminabsprache zur Verfügung.«
Infolge unseres Täuschungsmanövers erhielten Laura und ich aufeinanderfolgende Termine, denn schließlich wären wir ja demnächst verheiratet – allerdings hatte Laura inzwischen keine Verwendung mehr für mich und sah bewußt zur Seite, wenn sie in Begleitung des hünenhaften Jim Willard, der mit einer Körpergröße von eins neunundachtzig und einem Gewicht von sechsundachtzig Kilo unter dem Korb unserer Mannschaft für Stabilität sorgte, über den Campus spazierte. An einem windigen, bitterkalten Dezembernachmittag gingen wir getrennt zum Institut für Biologie – dürres Laub wirbelte über gelblich verfärbten Winterrasen, die Bäume standen kahl und verloren herum, und alle auf dem Campus hatten Schnupfen. Laura war als erste dran, und da die Interviews damals im Durchschnitt etwas über eine Stunde dauerten, hatte es eigentlich keinen Sinn, sie dorthin zu begleiten. Doch als ich sie und Jim Willard am Abend zuvor auf den Stufen zur Bibliothek getroffen hatte, bekam ich kalte Füße und plädierte dafür, den Schein zu wahren und trotzdem gemeinsam zu gehen – mir machte es nichts aus, ich würde meine Bücher mitnehmen und lernen, während sie in Kinseys Büro wäre –, doch ich hatte noch gar nicht geendet, da schüttelte sie bereits den Kopf. »Das ist sehr nett, John«, sagte sie, »und ich weiß deine Sorge zu schätzen, wirklich. Aber das Semester ist so gut wie vorbei. Was könnten sie uns schon tun?«
Jim Willard ragte im Hintergrund auf und bedachte mich mit dem Blick, den er sonst für den Tip-off reserviert hatte.
»Außerdem«, sagte sie und zeigte mit einem schmalen Lächeln ihre Zähne, »kann man sich schließlich auch entlieben, oder? Sogar Dean Hoenig muß den Realitäten ins Auge sehen – sie kann doch nicht

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