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Dr. Sex

Dr. Sex

Titel: Dr. Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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schüttelte mir die Hand. »Hab ihn erst vor einer Woche gekauft. Und du hättest erleben sollen, wie ich damit hergefahren bin, mit der Hand auf dem Hupring, denn: Paßt auf, ihr Kühe, ihr Farmer mit euren Heuwagen – jetzt komm ich!«
    Ich gab ein paar bewundernde Laute von mir, auf der Straße fuhren Autos vorbei, Studenten blieben stehen und glotzten, die kahlen Bäume staken entlang der Straße im Boden wie Galgen. Auf dem Beifahrersitz des Wagens lagen ein Koffer und ein breitkrempiger hellbrauner Hut. Ich fragte mich, wie Corcoran sich mit seinem Sozialarbeitergehalt einen solchen Wagen leisten konnte (die Familie seiner Frau war vermögend, erfuhr ich später) und wieviel Prok ihm angeboten hatte, damit er zu uns kam – mehr als mir jedenfalls, das war sicher –, als sein Blick zwischen mir und dem Koffer hin- und herwanderte und er sagte: »Meinst du, das geht? Mit dem Koffer, meine ich. Nur für ein paar Minuten?«
    »Tja, äh ...« sagte ich. »Na ja, ich glaube ...«
»Könntest du kurz ein Auge darauf haben? Ich will nur eben raufgehen und Prok sagen, daß ich da bin. Die Wohnung finde ich dann schon, das wird ja kein Problem sein ... Ach ja, ich wollte mich bei dir und wohl auch bei Prok bedanken, daß ihr was für mich gefunden habt.«
    Das hörte ich zum ersten Mal, und anscheinend war mir meine Verwirrung anzusehen, denn er fügte hinzu: »Oder wer auch immer es war. Das war sehr nett. Wirklich. In den nächsten Monaten werde ich improvisieren und etwas Passendes für Violet und die Kinder finden müssen, aber daß ich jetzt schon eine Bleibe habe, das ist wirklich ... Ich weiß ja, wie schwierig es ist, mitten im Semesters was aufzutreiben.«
    Ich stand schließlich eine halbe Stunde dort am Bordstein, während Studentengrüppchen, Einheimische und hin und wieder ein Professor vorbeigingen. Ich hatte ein Auge auf den Wagen, und vielleicht tat ich sogar so, als gehörte er mir. Ich sah ihn mir jedenfalls sehr genau an, klappte auch die Motorhaube und den Kofferraum auf (ein Tennisschläger, ein Satz Golfschläger, ein Paar zweifarbige Schuhe und noch ein Koffer), und gegen Ende meiner Wachtätigkeit setzte ich mich ans Steuer, nur um zu sehen, was das für ein Gefühl war. Dann wurde ich ein wenig unruhig – Prok würde sich fragen, wo ich blieb –, doch da sah ich die beiden aus dem Institutsgebäude treten und auf mich zukommen, Prok wie immer in zügigem Tempo, und neben ihm, mit lässigen, langen Schritten, Corcoran. Sie lächelten, gestikulierten und waren in ein angeregtes Gespräch vertieft. Schuldbewußt (obgleich ich nicht weiß, warum ich ein schlechtes Gewissen hatte – immerhin hatte er mich ja gebeten, auf den Wagen und den Koffer und so weiter aufzupassen) stieg ich aus und schloß leise die Tür. Als sie vor dem Wagen – das heißt, vor mir – standen, starrten sie mich an, als wären sie verwundert, mich dort zu sehen, und Prok trat sogleich an die Beifahrerseite, hob den Koffer hoch und reichte ihn mir. Dann stieg er ein, schloß die Tür, sah zu mir auf und sagte: »Stell ihn bitte irgendwo hinter die Sitze, Milk.« Und dann zu Corcoran: »Ich muß sagen, sehr beeindruckend, Corcoran. Aber auch ein bißchen auffällig, nicht?«
    Ich merkte, daß die Nadel von Proks Protzometer heftig ausschlug, ganz zu schweigen davon, daß er fürchtete, einer seiner Mitarbeiter könnte ungebührliche Aufmerksamkeit erregen. Sein Gesichtsausdruck sagte alles: Ein gelbes Cabriolet. Und was kommt als nächstes? Und zweifellos überlegte er, daß ein Teil der Aufwendungen für Corcorans Umzug in unserem Projekt weit mehr Nutzen gebracht hätte, obgleich das unfair gewesen wäre, aber trotzdem ...
    Corcoran merkte, wie so oft, nichts davon. Das war eines seiner Talente. Er glitt auf gesalbten Schwingen durchs Leben, er nahm und gab, was er wollte. Wenn eine Situation bedrückend oder in irgendeiner Weise unangenehm wurde – und als das Projekt richtig in Gang gekommen war und die Öffentlichkeit sich auf uns stürzte, gab es Augenblicke, die ich, milde gesagt, qualvoll fand –, dann ignorierte er das einfach. Ich glaube nicht, daß er unsensibel war, ganz im Gegenteil. Es kümmerte ihn eben nicht. Er war unbekümmert. Er war sorglos. Er war Corcoran – und der Rest der Welt sollte sich lieber vorsehen. Zu Prok sagte er bloß: »V-8-Motor, Prok, schnurrt wie ein Kätzchen. Und hat jede Menge Schubkraft.«
    Ich zwängte den Koffer hinter Proks Sitz, und Prok tätschelte meine Hand und sagte:

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