Dr. Sex
Forschung im Vorübergehen sozusagen.
Ich fand nie heraus, ob Mary Ellen oder Mary Jane in jener Nacht die Förderin der Forschung war, aber das spielt ja auch keine Rolle.
11
Obgleich Benzin rationiert war und die Automobilfabriken auf Kriegsproduktion umstellten, dachte ich in jenem Winter viel über Autos nach. Im Dezember, kurz vor dem Angriff der Japaner, hatte Prok seine erheblichen investigativen Energien aufgewendet, um einen zweiten Wagen aufzutreiben, denn er fand es ungerecht, daß Mac und die Kinder, wenn wir so lange unterwegs waren, um Vorträge zu halten und Geschichten zu sammeln, kein Transportmittel hatten. Nachdem er ein gutes Dutzend Autos, die in der Stadt zum Verkauf angeboten wurden, untersucht hatte, entschied er sich für einen ziemlich neuen Buick mit fast neuen Reifen und makellosem Lack in einem Blau, so dunkel, daß es beinahe schwarz wirkte. Er hatte einem seiner Kollegen an der University of Indiana gehört, einem älteren Musikprofessor, der im vergangenen Jahr gestorben war und den Wagen seiner Frau hinterlassen hatte, die aber nicht Auto fahren konnte und ihn in der Garage stehenließ. Prok suchte die Witwe eines Nachmittags auf, trank Tee mit ihr und bekam nicht nur den Wagen (zu einem Spottpreis), sondern auch ihre Sexgeschichte. Ich war mit Iris, Mac und den Kindern in dem Haus in der First Street, und wir waren allesamt gespannt, ob er es tatsächlich geschafft hatte. Ich erinnere mich deutlich an das festliche Aufblitzen der Sonne auf der Windschutzscheibe, als er in die Einfahrt bog, und an den unverhüllten Triumph in seinem Gesicht. Angeblich sollte das also Macs Wagen sein, während wir für unsere Fahrten weiterhin den altersschwachen, unzuverlässigen Nash nehmen würden, doch von dem Augenblick an, in dem Prok damit in die Einfahrt rollte, gehörte der Buick de facto uns.
Da Iris und ich ein paar Wochen später unseren Hausstand gründeten, war unser Bedürfnis nach einem Wagen natürlich nicht mehr so groß wie zuvor, doch ich wünschte mir damals sehnlich einen eigenen Wagen. An Sonntagnachmittagen liefen Iris und ich durch die ganze Stadt – und manchmal auch hinaus in jenes Niemandsland, wo die dichtere Bebauung in Farmland übergeht –, um uns diese oder jene alte Rostlaube anzusehen, die wir uns ohnehin nicht leisten konnten. Aber wir sahen sie uns an – man konnte ja nie wissen. Jedesmal wenn ich eine Annonce las (Modell A, 1929, gute Reifen, rep.bed.,
gegen Höchstgebot; 34er Chevy, sauber), entstand vor meinem geistigen Auge ein Bild, und jedesmal, wirklich jedesmal, wurde ich enttäuscht. Ich war kein Mechaniker. Genaugenommen hatte ich keinen blassen Dunst von Zündkerzen, Schwungrädern oder Getriebe- öl. Doch ich war voller Hoffnung. Ich suchte nach einem zuverlässigen Wagen, billig in Anschaffung und Unterhalt, mit einem guten Motor und einer rostfreien Karosserie. Marke, Modell und Baujahr waren mir egal. Wie gesagt: Die Straße, die aus der Stadt hinausführte, war für mich eine ständige Verlockung, und als Student wie als verheirateter Mann hatte ich manchmal das Gefühl, als wäre ich in Bloomington gestrandet, als wäre ich umzingelt, als hätte man mich für tot erklärt. Natürlich gab es Busse und Züge und meine Reisen mit Prok, aber wenn ich meine eigenen vier Räder unter mir hätte, wäre ich mein eigener Herr und könnte fahren, wann ich wollte und wohin ich wollte.
Es muß gegen Ende Februar gewesen sein, und ich weiß wirklich nicht mehr, ob es vor oder nach unserer kleinen Abschiedsfeier für Dick und Ezra war: Corcoran zog nach Bloomington. Es hatte einen Wetterumschwung gegeben – blauer Himmel und Tagestemperaturen zwischen fünf und zehn Grad –, und ich verließ gerade das Institutsgebäude, um etwas für Prok zu erledigen, als eine Hupe ertönte und ein Wagen am Randstein vor mir hielt. Es war ein gelbes Cadillac La Salle Cabriolet mit makellosen Weiß wandreifen und verchromten Radkappen, und das Verdeck war aufgeklappt. Am Steuer saß Corcoran in einem Tweedjackett, die Pfeife in den Mundwinkel geklemmt. Er riß die Arme hoch und schwenkte sie wie ein Schiffbrüchiger auf hoher See. »John«, rief er, »he, John! Ich bin da!«
Ich weiß nicht, was ich antwortete. Wahrscheinlich war es irgendeine Bemerkung über den Wagen. Es war ein Schlitten wie aus einer Zeitschrift, mit Abstand das sportlichste Fahrzeug, das Bloomington je gesehen hatte.
»Gefällt er dir?« krähte er, stieg mit einer geschmeidigen Bewe- gung aus und
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