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Dr. Sex

Dr. Sex

Titel: Dr. Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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»Geh schon mal rauf, Milk – ich will Corcoran nur schnell seine Wohnung zeigen, damit wir das erledigt haben. In spätestens einer Stunde sind wir wieder da, und dann« – ein Seitenblick zu Corcoran – »beginnt die eigentliche Arbeit.«
    Corcoran startete den Motor, ließ ihn aufheulen und jagte mit quietschenden Reifen davon. Prok gestikulierte und hielt ihm vermutlich bereits den ersten von unzähligen Vorträgen über richtiges Autofahren. Ich stand da und sah ihnen nach, dann drehte ich mich um und ging wieder hinauf in unser Büro im Institutsgebäude. Proks Auftrag hatte ich vergessen.
    Am nächsten Samstag gab es eine Einladung zum Abendessen, am folgenden Sonntag einen musikalischen Abend für eine ausgesuchte Gruppe von Proks Kollegen, darunter die Briscoes und President Wells (Prok gab, wie nicht anders zu erwarten, mit seiner neuesten Erwerbung an, mit diesem gutaussehenden, strahlenden, zuversichtlichen jungen Mann), und dann gingen wir in dem stromlinienförmigen Buick auf unsere erste gemeinsame Reise. Prok saß am Steuer, Corcoran auf dem Beifahrersitz, und ich hatte es mir hinten bequem gemacht und sah hinaus auf die Landschaft. Wie immer redete Prok ohne Punkt und Komma, von dem Augenblick an, als er und Corcoran mich von unserer Wohnung abgeholt hatten, bis zu unserer Ankunft, und Corcoran, unser neuer Mann, gab sich alle Mühe, einige von Proks hingeworfenen Bemerkungen durch eigene Gedanken zu akzentuieren. Ich lehnte mich mit halbgeschlossenen Augen zurück und ließ das alles vorbeiziehen. War ich desillusioniert, weil ich so plötzlich und uneingeschränkt von meinem Platz verdrängt worden war? Ja, natürlich, jedenfalls zunächst. Doch ich begriff rasch, welcher Vorteil darin lag: Es gab jetzt jemanden, der Proks Aufmerksamkeit ablenkte, der einen Teil nicht nur seiner überschüssigen Energie, sondern auch seiner Kritik, seines Starrsinns und nicht zuletzt seines sexuellen Begehrens auffangen würde. Und so lehnte ich mich in dem relativen Luxus des Buick zurück, hörte dem Gespräch auf den Vordersitzen mit halbem Ohr zu, antwortete, wenn man mich direkt ansprach, mit einem Nicken oder Grunzen und hatte das Gefühl, daß es unverkennbar aufwärts ging und daß der Druck, un- ter dem ich stand, um einiges nachlassen würde.
Denn ich war tatsächlich angespannt gewesen. In den Wochen vor Corcorans Ankunft hatten Prok und ich an unseren Anträgen für Forschungsstipendien gearbeitet und waren viel herumgereist, um so viele Geschichten wie möglich zu sammeln, bevor alles rationiert wurde, und mit dem wachsenden Druck, der auf ihm lastete, wurde Prok immer fordernder. Vielleicht lag es an der allgemeinen Ungewißheit (er sagte nie ein Wort über den Krieg und verfolgte weder die allgemeine Entwicklung noch äußerte er sich zu weltpolitischen Ereignissen, es sei denn, sie hatten irgendwelche Auswirkungen auf unsere Forschungen, doch es war klar, daß er sich zunehmend Sorgen machte, unser Projekt könnte Schaden leiden), vielleicht merkte er aber auch, daß ich mich emotional von ihm entfernte, seit Iris und ich eine gemeinsame Wohnung hatten. Er wollte eine sexuelle Beziehung, und ich fügte mich, doch es steckte keine Freude darin, und das muß er gespürt haben. Ich erinnere mich an eine Nacht in einem Motel am Stadtrand von Carbondale – wir hatten eine lange Fahrt und viele Interviews hinter uns –, wo er nackt und mit erigiertem Penis an mein Bett trat. Ich wollte nur noch schlafen, und das sagte ich ihm auch. »Was ist los?« fragte er und setzte sich auf die Bettkante. »Du wirst mir doch nicht etwa verklemmt werden?«
    »Nein«, sagte ich, »nein, ich bin bloß müde«, aber ich tat dann doch, was er wollte, und dachte dabei die ganze Zeit an Iris, die zu Hause auf mich wartete.
    Auf dieser Reise – der ersten von mehr als hundert, die wir drei im Lauf der Jahre machten – waren wir unterwegs nach Indianapolis, wo wir Prostituierte und, wenn möglich, ihre Kunden befragen wollten. Corcoran sollte in der Rolle des Lehrlings anwesend sein und die nötigen Kenntnisse sammeln, damit er bald seine eigenen Interviews führen konnte. Prok war in bester Stimmung und noch gesprächiger als sonst, und obgleich er wie immer schlecht fuhr und, um Benzin zu sparen, versuchte, eine gleichmäßige Geschwindigkeit beizubehalten, kamen wir gut voran und trafen so früh im Hotel ein, daß wir noch gemeinsam essen konnten, bevor wir uns auf den Weg machten. Ich hätte vor dem Essen gern einen

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