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Dr. Sex

Dr. Sex

Titel: Dr. Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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ich nicht hätte benennen können.
»Das beweist gar nichts – das beruht lediglich auf Konvention.«
Proks Augen glühten. »Genau das meine ich.«
Die Debatte ging weiter. Mac wurde nach ihrer Meinung gefragt, dann ich, und dann ging der Ball wieder zwischen Prok und Rutledge hin und her. Schließlich spitzte Prok die Sache zu: Wenn wir uns nicht hier und jetzt und ohne Hemmungen sexuell ausdrückten, würde er seine These als bewiesen betrachten. »Schließlich soll man den Menschen an seinen Taten messen, nicht an seinen Worten, meint ihr nicht auch?«
War sie begeistert? Ich konnte es nicht ergründen, aber alles Mädchenhafte an ihr war verschwunden, und sie hatte ihr neutrales Gesicht aufgesetzt. Das war nicht das, wofür sie mitgekommen war, das war nicht das, was sie erwartet hatte. Rutledge – er war verheiratet und hatte zwei Kinder – schien verwirrt. »Nur zu«, drängte Prok, »vergnügt euch miteinander. Rutledge, du bist der Neue – fang du an.«
Worauf ich hinauswill: Iris war keineswegs die einzige, die solche Gefühle hatte, aber ich verstand sie und wollte sie nur beruhigen, ich wollte sie lieben und sie unterstützen und ihr alles geben, was ich hatte, sowohl körperlich als auch emotional. »Iris«, sagte ich, »komm, laß uns nicht streiten.«
»Du kannst sie behalten«, sagte sie, während der Donner die Fenster klirren und die Wände erbeben ließ, »und auch die ganzen anderen mexikanischen Köstlichkeiten.« Im Dämmerlicht war ihr Gesicht kaum zu erkennen. »Ich kann Hackbraten essen.«
»Hörst du dich reden? Das ist doch lächerlich. Du mußt ja nicht –«
»Oder Schiffszwieback und Pökelfleisch«, sagte sie, und jetzt lächelte sie ihr wunderschönes Lächeln, angereichert mit Sanftheit und Sympathie. »Jeden Tag Schiffszwieback.«
Ich strich über ihren Handrücken. »Okay, ich hab’s verstanden. Ich werde Tortillas nie wieder erwähnen.«
Bevor sie antworten konnte, ertönte aus der Küche ein gedämpfter, klagender Schrei, sehr ähnlich dem Miauen einer Katze, gefolgt vom dumpfen Aufprall von etwas, das von der Spüle auf den Boden gesprungen war, und im nächsten Augenblick teilte sich der Perlenvorhang, und ich starrte in die unverwandt blickenden gelben Augen des größten Katers, den ich je gesehen hatte. »Was ist das?« fragte ich idiotischerweise.
»Ein Kater. Er heißt Addison.«
»Du machst Witze«, sagte ich.
Das überhörte sie. »Hier, Addison, komm her«, lockte sie, und der Kater, der bei meinem Anblick erstarrt war, schlich tief geduckt über den Teppich. Am Sofa angekommen, sprang er mit einem geübten Satz auf Iris’ Schoß und legte sich hin.
»Aber wir können keine Katze halten. Du weißt, daß ich allergisch bin, und das Futter ... kostet Geld. Ich meine, wer soll das bezahlen?«
Der Kater hatte begonnen zu schnurren, ein heiseres Rasseln, das von den Nasenlöchern zum Kehlkopf und zur Lunge und dann wieder zurück wanderte. Sie streichelte dieses Tier. »Ich brauche Gesellschaft, John.«
Ich sagte nichts. Der Regen tropfte von der Dachrinne.
»Das heißt, wenn du nicht da bist – und ich finde, daß du nicht viel mitzureden hast, nachdem du gerade – wie lange? – vierunddreißig Tage weg warst. Hintereinander. Ohne auch nur ein einziges Mal anzurufen.«
Es hätte gut gepaßt, wenn ein Donnerschlag das Haus hätte erbeben lassen, aber es kam keiner. Oder vielleicht doch. Vielleicht trügt mich meine Erinnerung.
»Noch etwas. Und es ist mir egal, was du dazu sagst.« Sie brachte ihr Gesicht ganz nah an das meine, beugte sich über den Kater und die Hand hinweg, die ihn und nicht mich streichelte, bis ihre Augen unmittelbar vor mir schwebten, ihre Lippen, ihre Zähne, der süße Duft ihres Atems. »Ich will ein Baby, John. Ich bin fest entschlossen.«
Und jetzt, erst jetzt kam der Donner – Kawumm! – , und alles, bis hin zu den Tellern im Schrank und den Messern in der Schublade, klirrte.
3
    Danach beruhigten sich die Dinge für eine Weile – wenigstens kam eine gewisse Routine auf. Wir reisten in jenem Herbst nicht mehr so viel, jedenfalls nicht zu dritt. Prok und Corcoran fuhren zweimal nach New York und Philadelphia, knüpften unterwegs neue Kontakte und zeichneten Geschichten auf, und in ihrer Abwesenheit bediente ich die Stechuhr und konzentrierte mich auf die Dinge, die das Institut betrafen. Es machte mir nichts aus. Es war gut, zu Hause zu sein und mehr Zeit mit Iris zu verbringen, aber reisen mußte ich natürlich trotzdem noch, und wenn

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