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Dr. Sex

Dr. Sex

Titel: Dr. Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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wollte, kam der Kater zwischen uns und schaffte es, sich in ein hypothetisches Kind zu verwandeln. »Ich will ein Baby, John«, sagte sie, und ich überlegte gar nicht, ich hielt nicht inne und dachte an das Einmaleins der Gefühle, sondern sagte einfach nein. Und während im Hintergrund der Topfdeckel klapperte, warf mir Iris, die Gott weiß wieviel Gin intus hatte, ganz zu schweigen von dem, was sie bei ihrem Nachmittagsklatsch mit Violet getrunken hatte, dieses Nein vor die Füße. »Gut«, sagte sie, »wenn das so ist, kannst du hier auf dem Sofa schlafen, denn dann will ich dich nicht in meiner Nähe haben. Keine Berührung, kein Kuß, gar nichts. Verstanden?«
    Und das war das Ende unseres freudigen Wiedersehens. Sie nahm den Kater mit ins Schlafzimmer und knallte die Tür zu, und ich ging in die nächste Bar und trank allein in einer Ecke Bourbon, während die anderen sich um das Radio drängten und die Kriegsberichterstattung hörten. Ich kochte vor Wut, ich litt, mir war ganz schwach vor Verlangen nach ihr, nach meiner eigenen Frau. Fünf Wochen war ich fort gewesen, und nun kein Sex, keine Liebe, nur Bitterkeit und ein Kater. Ich war fuchsteufelswild. Es brach mir das Herz. Ich war abgestoßen von mir selbst, von Iris, von der Ehe, dieser verdorbenen Institution, die einen in ein Zwangsbett preßte. Prok hatte recht: Der Mensch war ein pansexuelles Wesen, und nur die Konventionen – die Gesetze, die Sitten, die Kirchen – hielten ihn davon ab, sich mit jedem beliebigen Partner auszutauschen, unabhängig von Geschlecht und Spezies. Die Ehe war ein Klotz am Bein. Die Ehe bedeutete Sklaverei. Und sie produzierte nichts als Bitterkeit. Ich ging durch den Regen nach Hause, schlief, von Verlangen gequält, auf dem Sofa, erwachte mit Kopfschmerzen und war schon fort, als Iris aufstand.
    Im Büro versuchte ich, Prok um Rat zu fragen, doch er bewegte sich mit Lichtgeschwindigkeit, eilte von seinem Tisch zu meinem, dann zu Corcorans und Mrs. Matthews’ und wieder zurück. Die in fünf Wochen angesammelte Post mußte beantwortet werden, diverse metastasierende Probleme waren zu lösen, das alles innerhalb eines Tages, denn bei Prok konnte nichts bis morgen warten. Erst am späten Nachmittag gelang es mir, ihn abzupassen. Er war mit einem Stoß Papier in der einen und seinem Füller in der anderen Hand zur Toilette gegangen, und ich erwartete ihn an der Tür. Als er fünf Minuten später in seinem üblichen Geschwindschritt auf den Korridor trat, das Kinn gesenkt, die Schultern hochgezogen, tat ich, als müßte ich selbst zur Toilette und dies wäre eine zufällige Begegnung. »Ach, Prok«, sagte ich, »hast du eine Sekunde Zeit? Ich wollte ... Also, ich wollte mal mit dir reden, das heißt, wenn es gerade passt ...«
    Wie ich schon sagte: Von allen Menschen, die ich kenne, hatte Prok die empfindlichsten Antennen für die unbewußten Signale, die man aussendet, wenn man unglücklich oder wütend ist oder versucht, seine Gefühle zu verbergen. Er hätte einen Meisterdetektiv abgegeben. Jetzt sah er mich nur an – das unvermittelte blaue Zupacken seiner Augen, das Blitzen der Brillengläser – und sagte: »Probleme zu Hause?«
    »Nein«, sagte ich. »Oder vielmehr ja, irgendwie schon.«
    Zwei Biologie-Professoren – ein Zoologe im weißen Kittel und ein Botaniker in Hemdsärmeln – gingen auf dem Weg zur Toilette rechts und links an uns vorbei, und wir hielten inne, um sie zu grüßen. Als sich die Tür wieder geschlossen hatte, sah Prok mich freundlich und aufmerksam an. »Ja«, sagte er, »sprich weiter.«
    »Iris will ein Kind.«
    Er zog die Augenbrauen hoch. Auf seinem Gesicht erschien das berühmte Grinsen. »Das sind ja wunderbare Neuigkeiten«, sagte er. »Einfach wunderbar. Ist sie schwanger?«
    »Nein«, sagte ich, »nein, nein. Sie hat es mir gerade erst... Gestern abend, meine ich.«
    »Ich verstehe«, sagte er und nahm meine Hand. »Das ist ein großer Schritt. Aber es gehört zur natürlichen Entwicklung, John. Kein Grund zur Sorge. Du wirst sehen, Kinder sind eine Freude. Und falls du dir Sorgen wegen des Geldes machst – ich bin sicher, wir werden eine Lösung finden, wenn es soweit ist.«
    »Das ist es nicht. Es geht mehr ums Prinzip. Ich hab gestern nacht auf dem Sofa geschlafen.«
Er sagte nichts, sondern sah mir nur in die Augen und wartete auf die Fortsetzung, als wäre ich einer von seinen Befragten.
»Wegen unserer Reise. Weil sie so lange gedauert hat, meine ich. Sie hat sich eine Katze

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