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Dr. Sex

Dr. Sex

Titel: Dr. Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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ich zu Hause blieb, dann fehlte mir, wie ich gestehen muß, die Erregung des unsteten Lebens. In gewisser Weise entsprach dieses ruhige, geordnete Dasein und die Gewöhnung an Routine wohl meinem Temperament, doch es gab in mir noch einen ganz anderen Teil, der sich nach der Straße sehnte, nach Abenteuern, und nachdem Prok mir diese Welt einmal gezeigt hatte, konnte ich davon nicht genug bekommen.
    Es sollte noch drei Jahre dauern, bis aus unserem Forschungsprojekt ein eigenständiges Institut wurde, aber an Prestige und Autonomie hatten wir bereits sehr gewonnen. Es waren außer einer Vollzeitsekretärin, der furchterregenden Mrs. Bella Matthews, noch einige Teilzeitkräfte eingestellt worden, und daher mußten Möbel umgeräumt werden, um Platz für einen zusätzlichen Schreibtisch zu schaffen. Mrs. Matthews saß im Vorzimmer, während die Teilzeitkräfte ihren Tisch neben dem von Corcoran hatten. Die Bibliothek, die Prok auf eigene Kosten zusammengetragen hatte und die schon jetzt etwa fünftausend Exemplare umfaßte – Fachbücher, Fotos, künstlerische Darstellungen, Sex-Tagebücher und dergleichen –, beanspruchte jeden Zentimeter Wandfläche im inneren Büro und war teils in einer verschließbaren fensterlosen Kammer am Ende des Korridors untergebracht, in der früher Laborgeräte gelagert worden waren. Zu sagen, daß es uns an Raum fehlte, wäre eine Untertreibung. Noch dringender war unser Bedarf an »mehr Personal«, wie Prok sich ausdrückte, das heißt, wir brauchten einen weiteren Interviewer, der helfen sollte, die neue und erstaunliche Zahl von einhunderttausend Geschichten zusammenzutragen, die Prok zu sammeln beschlossen hatte.
    Zu diesem Zweck hatten wir unsere Fühler nach verschiedenen akademischen Institutionen ausgestreckt, und Prok schrieb unentwegt Kollegen im ganzen Land an, in der Hoffnung, einen Kandidaten zu gewinnen, der ein gutes Licht auf unser Projekt werfen würde. Ich besaß damals nur ein Bakkalaureat, und Corcoran war Magister, und so hatte Prok es auf einen älteren Mann abgesehen – soll heißen, in den Dreißigern –, mit einem Doktortitel in Sozialwissenschaften oder Psychologie, und zwar von einer angesehenen Universität. Er selbst war selbstverständlich ein Harvard-Mann, und obgleich er es, um unsere Gefühle zu schonen, nie erwähnte, suchte er jemanden, dessen Referenzen und Mitgliedschaften unsere eher zweitklassigen Diplome ausgleichen konnten. Soweit ich mich erinnere, führten wir im Herbst und im Frühling des nächsten Jahres – 1945 – einige Gespräche, doch es gab nicht so viele Bewerbungen, wie wir gehofft hatten. Immerhin war der Krieg noch nicht beendet, und die überwältigende Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung stand in Diensten von Uncle Sam.
    Auch an der Heimatfront – an der persönlichen Heimatfront also, in der Küche, im Wohnzimmer und im Schlafzimmer der Wohnung in der Elm Street 619, die ich mit Iris teilte – beruhigte sich alles. In jeder Ehe gibt es Wachstumsschmerzen, und wir hatten sie wirklich zur Genüge erfahren, aber nun war ich zu Hause, jedenfalls häufiger als zuvor, und fest entschlossen, vergangene Fehler wiedergutzumachen. Ich gab mir alle Mühe, rechtzeitig zum Abendessen dazusein, auch wenn das bedeutete, daß ich morgens früher aus dem Haus gehen mußte, um die Arbeit zu bewältigen; ich versuchte mehr über Literatur, Kunst und Politik und weniger über Prok und Sex zu sprechen; ich ging nach Feierabend nicht mehr in die Kneipe, sondern half im Haushalt, so gut ich konnte, auch wenn ich gestehen muß, daß ich auf diesem Gebiet alles andere als ein Könner war – aber ich bemühte mich, ich bemühte mich wenigstens. Im Lauf der Zeit lernte ich sogar, den Kater zu tolerieren. Und obwohl ich anfangs vor dem Thema Baby zurückgescheut war (mit den üblichen Ausflüchten: wir sind zu jung, wir können uns kein Kind leisten, eine Katze ist das eine und ein Kind etwas ganz anderes), dachte ich doch an meinen Augenblick der Klarheit in der Fillmore School, wo ich überall Kinder gesehen hatte, und es dauerte nicht lange, bis ich die Sache genauso sah wie* Iris.
    Die erste Nacht jedoch war hart, ich scheue mich nicht, es zuzugeben. Wir schienen gar nicht miteinander zu kommunizieren, und ich hätte mitfühlender sein sollen, doch ich war körperlich wie geistig erschöpft und nicht in bester Verfassung. Weit davon entfernt. Gerade als sie sich erweichen ließ und ich den Armreif aus dem Koffer ziehen und alles wiedergutmachen

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