Dr. Sex
vorbereitet, und für dich auch, Milk. Eine Demonstration eigentlich, die sehr interessant zu werden verspricht. Wollen wir?«
Als wir uns auf dem vertrauten gewundenen Weg dem Haus näherten, erwarteten uns auf der Vorderveranda zwei Gestalten, deren Silhouetten sich gegen den Lichtschimmer von drinnen abhoben. Eine davon war Corcoran, der hastig die Zigarette aus dem Mund nahm und mit dem Absatz zertrat; die andere war eine junge Frau, die ich noch nie gesehen hatte. Wir machten uns auf der Veranda miteinander bekannt – »Das ist Betty, Prok, die Frau, von der ich dir erzählt habe. Betty, das sind Dr. Kinsey, John Milk und Oscar Rutledge« –, und dann traten wir in die Eingangshalle, und Prok rief: »Mac, wir sind da!«
Ich hatte kaum Zeit, einen verstohlenen Blick auf die junge Frau zu werfen: Sie war groß und brünett und hatte ein mädchenhaftes Gesicht mit hohen Wangenknochen und dunklen, flinken Augen, die beinahe verschwanden, wenn sie lächelte, und das tat sie gerade: Sie lächelte nervös, und ihre Zähne wirkten scharf und irgendwie raubtierhaft. Mac mußte uns gleich hinter der Küchentür erwartet haben, denn schon war sie da, barfuß und schlicht gekleidet, und trug ein Tablett mit Kaffeegeschirr und einem Teller Haferplätzchen, die sie eigens für diese Gelegenheit gebacken hatte. Sie hatte weder Lippenstift noch Make-up aufgelegt, und obwohl sie frisch frisiert war, schien die Frisur nicht halten zu wollen. Sie sah müde aus. Alt. »Kommt rein, kommt rein«, sagte sie und winkte uns ins Wohnzimmer, während Prok sich entschuldigte und in der Küche verschwand. Ich wunderte mich – er schien ungeheuer aufgeregt, wie ein kleiner Junge am Vorabend seines Geburtstags; was hatte er bloß vor? –, bis er einen Augenblick später mit der Kaffeekanne und seinem Likörtablett zurückkehrte.
Wir setzten uns um den Couchtisch und plauderten über dies und das, während Mac Kaffee einschenkte und Prok reihum Liköre an- bot. Abgesehen vom stockenden Gemurmel unserer Konversation – S ahne? Ja, danke – war es sehr still. Motten warfen sich in weichen, arthropodischen Explosionen an die Fliegengitter. Aus dem Garten ertönte das beständige Sirren der Grillen. Ich bemerkte, daß die Frau sich für den am wenigsten angenehm schmeckenden Likör entschied und ihn mit einem Schluck hinunterstürzte, als stünde sie an der Theke irgendeiner Kaschemme. Prok schenkte ihr sogleich nach. Sie trug ein silbernes Kettchen um den Hals, und als sie den Kopf in den Nacken legte und das zweite Glas austrank, sah ich ein silbriges Blitzen, und ein kleines Kreuz mit einem kleinen Jesus rutschte auf ihrem Brustbein hinauf.
Prok nahm in dem Sessel neben der jungen Frau Platz. Seine eleganten, gepflegten Finger schlössen sich um die schwarzen Bugholzlehnen und ließen sie wieder los. »Hervorragend«, sagte er. »Ist das nicht hervorragend?« Er war zu aufgeregt, um sich entspannt zurückzulehnen, und beugte sich, die Hände auf die Knie gestützt, gleich wieder vor. »Betty«, sagte er, senkte eine Schulter und neigte sich vertraulich zu ihr, »ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie erfreut wir sind, wie erfreut und geehrt, daß Sie kommen konnten.«
Die Frau sah Corcoran hilfesuchend an, senkte den Kopf und sagte gedämpft: »Gern geschehen.«
»Aber Sie werden das für sich behalten – das hat Corcoran jedenfalls gesagt. Sie sind doch verschwiegen?«
Sie wollte es bejahen, doch ihre Stimme verirrte sich in der Kehle, und sie wiederholte es mit mehr Nachdruck. »Ja«, sagte sie, »ich bin verschwiegen.«
»Wir können uns auf Sie verlassen?« Prok musterte sie mit seinem strengsten Blick. »Was immer in diesem Haus geschieht, bleibt strikt unter uns, die wir hier anwesend sind. Haben wir uns da verstanden? Und außerhalb dieser Räume wird niemals, ich wiederhole: niemals auch nur ein Wort über das heutige Forschungsprojekt und Ihre Mitarbeit daran gesprochen werden.«
»Sie ist in Ordnung, Prok«, warf Corcoran ein.
Rutledge war beinahe vergessen – war er denn nicht Hauptattraktion hier? Er saß vor seinem uringelben Likör und versuchte ein »Warumnicht«-Lächeln, das auf seinen Lippen dahinwelkte. Mit einem Mal war er nervös. Und ich war es, ehrlich gesagt, auch.
»Aber ich möchte es aus Bettys Mund hören. Na, Betty?«
»Ich habe verstanden«, sagte sie, und ihr Blick wich dem Proks aus und richtete sich auf Corcoran. »Aber wollen wir die ganze Nacht hier rumsitzen und quatschen? Denn wenn das so ist ...«
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