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Dr. Sex

Dr. Sex

Titel: Dr. Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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Ehren ein Picknick oder einen musikalischen Abend, zeichnete ihre Geschichten auf und wies Corcoran und mich an, ihnen auf den Zahn zu fühlen. (Im allgemeinen gab Prok uns den Auftrag, nach dem Gespräch mit dem Bewerber, aber ohne dessen Frau, eine kleine Kneipentour zu machen, und wenn das den Einsatz einer gewissen Menge Alkohol und einer gewissen Menge Havanna-Zigarren erforderte, die aus der Institutskasse bezahlt werden mußten, so betrachtete er diese Ausgaben als geschäftlich bedingte Aufwendungen.) Natürlich hatte jeder der Bewerber den einen oder anderen kleinen Fehler, und Prok, der Perfektionist, lehnte sie allesamt ab, obgleich er händeringend einen weiteren Mitarbeiter suchte.
Ich erinnere mich an einen Kandidaten namens Birdbright. Er war fünfundvierzig, glücklich verheiratet, Vater einer erwachsenen, gut angepaßten Tochter, soeben aus der Marine entlassen und im Begriff, in Harvard seine Dissertation in physischer Anthropologie vorzulegen. Er besuchte den Campus, und Prok sprach bis spät in die Nacht mit ihm. Corcoran und ich machten mit ihm eine Runde durch die Kneipen, und obwohl er ein bißchen steif wirkte – das lag wahrscheinlich an seiner militärischen Haltung, aber vielleicht kam darin auch nur seine akademische Disziplin zum Ausdruck –, fanden wir nichts, was gegen ihn gesprochen hätte. Er trank Scotch, rauchte Camel und haßte Sport. Im Gespräch war er nicht leicht aus der Reserve zu locken, aber er war auch nicht verklemmt und schien nur wenige Vorurteile gegen sexuelle Praktiken zu haben, die eigentlich strafbar waren. Am nächsten Tag setzten wir drei uns zusammen und verglichen unsere Eindrücke. »Ich sehe nichts, was gegen ihn spricht«, sagte Prok, der Birdbrights Unterlagen aufgeschlagen vor sich hatte, und Corcoran und ich mußten ihm zustimmen. Ein kurzes Schweigen. »Aber ich spüre auch keine echte Begeisterung.« Prok klappte den Ordner langsam zu und verdrehte die Augen. »Aber Bird-bright! Würde irgend jemand einem Mann, der so heißt, peinliche Dinge gestehen?« Er stieß ein kurzes, helles Lachen aus. »Birdbright – also wirklich!«
Ein anderer Mann wurde aus ähnlichen Gründen abgelehnt. Auch gegen ihn war nichts einzuwenden, obgleich er nicht sonderlich aufregend war. Er hatte eine akzeptable Frau und den richtigen akademischen Hintergrund, war aber mit einem langen Doppelnamen geschlagen: Theodore Lavushkin-Esterhazy. Das gefiel Prok nicht, und er fragte ihn geradeheraus, ob er bereit sei, den weniger imposanten Namen Theodore Esterhazy zu benutzen oder sich bei Befragungen von Personen aus der Unterschicht einfach Ted Esterhazy zu nennen. Der Bewerber sagte, es handle sich um einen mehrere Jahrhunderte alten ehrwürdigen Familiennamen, den er unter keinen Umständen bearbeiten werde. Das war das Wort, das er wählte: »bearbeiten«. Prok legte die Fingerspitzen aneinander, sah Theodore LavushkinEsterhazy lange an und dankte ihm für sein Kommen.
Ja. Ein anderer wurde wegen seiner Frau abgelehnt, die ein Alkoholproblem hatte, wie wir durch Nachfragen bei den Kollegen in seiner früheren Arbeitsstelle herausfanden. Bei einem Picknick im Bryan Park konnten wir uns persönlich davon überzeugen. Die Frau war laut, sie zeigte ihre Reize – muskulöse Oberschenkel und ausladende Brüste –, machte sich an einen Mann nach dem anderen heran und trank dabei Planter’s Punch, als wäre es Karottensaft. Sie machte keine Szene, das nicht, aber es war genug, um uns zu warnen. Prok hatte keine Verwendung für Trinker, weil er der Meinung war, sie seien nicht zuverlässig und könnten den Mund nicht halten (auch mir hielt er mehr als einmal einen Vortrag über meinen Alkoholkonsum, aber das tut nichts zur Sache, jedenfalls nicht hier). Das soll übrigens nicht heißen, daß er so rücksichtslos war, wie die Gerüchteköche der Öffentlichkeit weismachen wollen, und auch nicht, daß er die Mitglieder seines Teams danach aussuchte, wie gut er sie lenken und dominieren konnte. Er hatte nur ein überaus empfindliches Gespür für das, was das Projekt erforderte. Geheimnisse mußten gewahrt werden. Arbeit war zu erledigen. Kann man ihm einen Vorwurf daraus machen, daß er wählerisch war?
Rutledge war, wie alle Welt weiß, der Mann, für den wir uns schließlich entschieden. Wir alle mochten ihn von Anfang an. Obwohl er seine Titel auf den angesehensten Universitäten erworben hatte und etliche Empfehlungsschreiben von einigen der berühmtesten Namen der Wissenschaft,

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