Dr. Sex

»ich dachte, da wir uns ja Filme ansehen ...«
»Wunderbar«, jubelte Hilda. »Klasse.« Sie zog die Beine an, beugte sich vor und griff in die Schüssel. »Gerade haben wir in Erinnerungen an unsere ersten Filme geschwelgt, und schon ist das Popcorn da.«
Und dann wurde die Lampe ausgeschaltet, der Projektor setzte sich surrend und schnurrend in Bewegung, und die ersten flackernden Strahlen beleuchteten die Siliziumoxydpartikelchen auf der Leinwand, die Prok am anderen Ende des Raums aufgestellt hatte. Ich sah ein Stück Wiese, verwackelt und unscharf, in der nächsten Einstellung die narbigen grauen Stämme von Kiefern, eingezäunt mit Maschendraht, und dann waren wir innerhalb der Umzäunung und sahen auch die Tiere: zwei lebendige dunkle Flecken, die sich aus dem Hintergrund näherten, bis sie das Bild ausfüllten und die Kamera zurückfuhr. Die Stacheln der Tiere lagen an und wirkten wie ein unerhört dichter Bart, in dem nur die Augen und gelegentlich die Zähne schimmerten. Sie schienen einander zu beschnuppern, Nase an Nase, wie Hunde bei einem ersten Zusammentreffen, und dann, wie auf Shadles Stichwort (»Jetzt passen Sie auf – das ist wirklich großartig«), erhoben sie sich gleichzeitig auf die Hinterbeine und umarmten einander, und ihre Mäuler mit den schwarzen Lippen berührten sich wie zu einem Kuß. Das alles ging langsam und würdevoll vonstatten – eine Art Stachelschwein-Menuett.
Prok lachte leise und entzückt. »Vorspiel«, sagte er mit verwunderter Stimme. »Sie haben ein Vorspiel.«
Und so war es. Sie waren Tiere, bloß Tiere, und doch hätten sie Menschen sein können, Philosophen in langen Mänteln, die einander überaus zärtlich begegneten, die sich Zeit nahmen und es offenbar genossen.
Hilda Rutledge schnalzte leise mit der Zunge und sagte: »Sind die nicht süß?«
»Welches ist das Weibchen?« wollte Iris wissen.
»Das ist Peterkin, rechts«, flüsterte Shadle, und es war, als wären wir in einer Kirche und knieten in einer Bankreihe. »Es war ihre erste Paarung – für Dannie übrigens ebenfalls.«
»Sie meinen, das war ihre erste Verabredung?« Hilda versuchte einen Witz. Ihre Stimme schwebte durch die Dunkelheit.
Niemand antwortete.
Auf der Leinwand ließen sich die Tiere langsam auf alle viere nieder. Das Männchen drückte weit unten auf den Rücken des Weibchens, bis der Stachelverhau sich mit einem Mal teilte und eine Körperöffnung freigab. Das Männchen beschnupperte diese und drang dann mit einigen heftigen Stößen ein, bevor es sich zurückzog und seinen Penis ableckte. Und das war’s. Es war vorbei. Jemand – ich glaube, es war Corcoran – klatschte, und dann applaudierten wir alle. Prok mit am lautesten, und ich weiß noch, daß er lachte. Diese Filme und alle, die noch kommen sollten – die Filme über Tiere, aber auch über das menschliche Säugetier –, erfüllten ihn mit reinstem, schlichtestem Entzücken, und daraus schöpfte er wohl hauptsächlich seine Energie.
Shadle ermahnte uns zum Schweigen, denn abermals schwebte die Kamera über den Tieren. Das Licht war jetzt anders, heller – es war ein anderer Tag –, und die Paarung begann aufs neue, wieder und wieder, acht Filmspulen lang.
Als wir später zum Wagen gingen, fragte ich Iris, wie es ihr gefal- len habe. Sie war den ganzen Abend ausgelassen gewesen, mädchenhaft und albern. Die Sache mit Corcoran und Violet lag weit hinter uns, und ich hatte das Gefühl, daß Iris sich zum ersten Mal seit langem wirklich gut amüsiert hatte. »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Ich glaube, es war besser, als ich dachte.«
»Ja, das war schon ein Ding. Ich wußte nicht, worauf ich mich einstellen sollte, aber es war doch ... ganz nett... Niedlich. Sie waren niedlich. Beinahe wie –«
»Menschen?«
Ich stieß ein Lachen aus. »Genau.«
Die Nacht war still. Glühwürmchen zogen gepunktete Linien über die Beete und hinauf in die Baumkronen, als arbeiteten sie gemeinsam an einem großen Muster, das wir nur erahnen konnten. Es roch stark nach dem Hühnermist, den Prok und ich am vorangegangenen Wochenende auf den Blumenbeeten ausgebracht hatten, und nach der von Prok immer und immer wieder umgegrabenen Erde. »Aber ist das nicht der springende Punkt?« fragte Iris. »Daß wir im Grunde nicht anders sind als ... Was sind sie? Nagetiere? Sie paaren sich, und wir paaren uns ebenfalls.«
»Genau«, sagte ich und zuckte die Schultern, was sie in der Dunkelheit nicht sehen konnte. »Wenn man so will.«
Wir schwiegen. Ich