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Dr. Sex

Dr. Sex

Titel: Dr. Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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Haus in der First Street. Prok hatte sein Gulasch gekocht, das (»zur Kühlung«) mit selbstgemachtem Krautsalat serviert wurde, und danach gingen wir ins Wohnzimmer, um uns die Filme anzusehen. Prok hatte Projektor und Leinwand von der Universität ausgeliehen. In Shadles Koffer befanden sich alles in allem acht runde Blechdosen mit Filmen, und er plauderte munter mit Prok, während er den ersten in die Führung des Projektors fädelte. Wir waren vollzählig, der engste Kreis der Vertrauten, die Atmosphäre war heiter und gelöst – ja es herrschte sogar eine gewisse freudige Erwartung, als säßen wir in einem Kino und warteten im Dunkeln auf das erste Flackern des Films.
»Fehlt nur noch Popcorn«, sagte Hilda Rutledge aus dem Mundwinkel.
»Und Jujubes«, sagte Iris. »Unbedingt Jujubes.«
»Magst du die? Wirklich?« Violet saß auf dem Flickenteppich und hatte die Ellbogen auf den Sessel hinter sich gestützt. »Die ziehen einem doch die Füllungen aus den Zähnen. Nein, Dots«, sagte sie. »Ich will Dots.«
»Und was ist mit Jawbreakers?« Das kam von Corcoran, der sich, die Unterarme auf die Knie gestützt, vorbeugte. »Die hatten wir immer als Kinder. Die halten einen ganzen Film lang, manchmal sogar eine Doppelvorstellung.«
»Stimmt«, sagte Iris, »wenn man nicht zu sehr saugt – oder abbeißt. Wenn man abbeißt, sind die Dinger in Null Komma nichts weg. Wir haben in einer Doppelvorstellung einen ganzen Beutel Jawbreakers verputzt. Weißt du noch, John? Der Süßigkeitenladen gegenüber vom Kino? Da haben Laura Hutchins und ich immer eingekauft, und dann haben wir das Zeug ins Kino geschmuggelt.«
Ich lächelte ihr zu. Ich war glücklich, ich fühlte mich ruhig und entspannt, und das lag diesmal nicht am Alkohol. »In dem Laden haben die Sachen nur halb soviel gekostet wie im Kino.«
»Kundschaft, die nicht weglaufen kann«, sagte Corcoran schulterzuckend. »Daß die vom Kino ein zusätzliches Geschäft machen wollten, kann man ihnen doch nicht vorwerfen.«
»Nein«, sagte Iris, »aber man kann ganz schön sparen, wenn man ein bißchen vorausdenkt. Was die meisten Kinder natürlich nicht tun.«
»Lakritzschnecken«, sagte Hilda.
Iris bekam einen verträumten Blick. »Ja«, sagte sie, »aber die roten, nur die roten ...«
Die Frauen trugen schulterfreie Sommerkleider, die Bewegungen ihrer Gliedmaßen waren gleitend, wie ein Strömen. Nackte Haut, weiches Licht, und Prok ließ jetzt die Jalousie herunter und schloß die untergehende Sonne aus, während sich der Professor am Projektor zu schaffen machte. Wir waren in Hemdsärmeln, Rutledge, Corcoran und ich, und Corcoran hatte sogar Shorts aus buntem Madrasstoff an, doch Prok trug noch immer Jackett und Fliege, und das wunderte mich, bis mir klarwurde, daß er nur wegen seines Kollegen aus Buffalo so tat, als legte er Wert auf Förmlichkeiten. Shadle nahm es damit nicht so genau. Er war in einem weiten Hawaiihemd erschienen, das er, während er den Projektor bediente, gründlich durchschwitzte. »Sie werden jetzt Dannie sehen – und Peterkin«, sagte er mit einer Stimme, die sich von der Unterhaltung mit Prok gelöst hatte und uns allen galt. »Sie wurden letztes Jahr verheiratet – so würde ich es jedenfalls nennen. Aber sehen Sie selbst, wir fangen ...« – er hielt inne und konzentrierte sich darauf, den Anfang des Filmstreifens über das letzte Zahnrad zu führen und an der Leerspule zu befestigen – »... gleich an.«
Prok sagte nichts. Er hatte seine Runde entlang den Fenstern beendet. Nur die Lampe hinter dem Projektor spendete Licht. Bei heruntergelassenen Jalousien war es deutlich wärmer im Raum, der erfüllt war von unserem leicht verschwitzten Geruch, dem zusammengesetzten Geruch des engsten Kreises – wir waren allesamt Freunde und Kollegen und hatten uns zu einem zwanglosen Abend versammelt. Prok sagte nichts, doch ich wußte, was er dachte: Er dachte, daß »verheiratet« ein Euphemismus, ein beschönigendes Wort war und daß Professor Shadle, obgleich Biologe, gefährlich nahe daran war, in die Kategorie »verklemmt« zu fallen. Ich fragte mich, ob wir seine Geschichte hatten.
Aber gerade als Shadle sich aufrichtete und den Projektor einschaltete, schwang die Küchentür auf, und Mac erschien. Ihre schlanken weißen Arme hielten die größte Schüssel, die es im Haus gab, und der Raum füllte sich mit dem Geruch von frischem Popcorn, großzügig gebuttert und gesalzen. »Tja«, sagte sie und stellte die Schüssel auf den Couchtisch,

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