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Dr. Sex

Dr. Sex

Titel: Dr. Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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nicht der Fall. Ich besprach es nicht ausführlich mit meinen Kollegen, aber das Gefühl, außerhalb des Geschehens zu stehen, verstärkte nur meine Reaktion, die, gelinde gesagt, unprofessionell war. Die Frau war schlank und brünett, hatte vollkommen symmetrische Brüste und trug ihr Haar wie Iris: Die ausgebürsteten Locken schlängelten sich über Hals und Schulterblätter, als sie uns ihr Repertoire vorführte; der Mann war von mittlerer Statur, sein Penis war unbeschnitten und von durchschnittlicher Länge und Dicke (ich mußte an die Postkarten denken, an all die Meßwerte, die gewissenhaft notiert und an Professor Alfred C. Kinsey, Department of Zoology, University of Indiana adressiert worden waren), und sein Gesicht hatte etwas Gewinnendes, etwas Naives oder Unbekümmertes, als sei er gar kein Darsteller, als sei es das Natürlichste auf der Welt, Geschlechtsverkehr mit seiner Frau zu haben, während ein Dritter einen Film durch eine Kamera laufen ließ. Beide waren attraktiv. Sehr attraktiv. Einen mit individuellen Variationen befaßten Wissenschaftler, für den die Hausbackenen, die Übergewichtigen und Unansehnlichen ebenso bedeutsam sind wie die Venusse und Adonisse, sollte das vollkommen kaltlassen. Aber so leid es mir tut: Es ließ mich nicht kalt. Mein Mund war trocken. Meine Handflächen waren feucht. Und der Rest ... Nun ja, über den Rest meiner physiologischen Reaktionen brauche ich wohl kein Wort zu verlieren.
Als der Film begann, waren die beiden bereits nackt, es gab kein Vorspiel, keine aufreizenden Posen wie in den Peepshows. Der Mann saß auf einem Sofa, die Frau auf seinem Schoß, und beide waren der Kamera zugewandt. Zwischen ihren Schenkeln war sein Phallus zu sehen, den sie rieb und knetete, während sie zugleich den Kopf drehte und an seiner Zunge saugte. So blieben sie für einen Augenblick, dann wechselten sie die Position; die Frau stimulierte ihn oral, bevor er in sie eindrang und beide die üblichen Bewegungen machten, bis sie schließlich abermals die Position wechselten und die Frau auf dem Mann saß. Sie sah mit aufgerissenen Augen und leerem Blick in die Kamera, absolut selbstvergessen, mit schlaffem, beinahe grimassierendem Mund – und dann lief das Zucken des Orgasmus durch ihren Körper.
»Da«, rief Prok. »Seht ihr? Das ist das Kennzeichen des weiblichen Orgasmus, und das kann man nicht spielen. Ehefrauen, die beim Koitus lächeln, oder Prostituierte, die theatralisch schreien und zappeln, sollten sich diesen Film ansehen. Jede Frau sollte ihn sich ansehen.«
Wir saßen schweigend da, lauschten dem Surren des Projektors und bedachten diesen Vorschlag.
»Also wirklich«, sagte Prok, als die zweite Szene begann – sie waren jetzt in der Küche, die Frau saß mit gespreizten Beinen auf der Arbeitsfläche, von dem Mann waren nur zwei angespannte weiße Pobacken zu sehen, bis die Kamera weiterfuhr und seine Erektion zeigte –, »das ist erstklassige Arbeit. Sollten wir die beiden ausdrücklich erwähnen, als Freunde der Forschung? Was meint ihr?« Prok machte einen Witz. Oder kam dem Witzemachen so nahe, wie es ihm nach seiner Veranlagung möglich war.
»Aber im Ernst«, fuhr er einen Augenblick später fort, »vielleicht sollten wir den beiden mal einen Besuch abstatten in ... Wo war das? Florida?« Er sah uns an, der Widerschein des Films flackerte auf seinem Gesicht. »Ich kann mir nicht helfen, aber ich finde, das könnte man noch ein bißchen verbessern, mit mehr direkter Beleuchtung und einem fähigeren Kameramann vielleicht – oder einer Kamerafrau ...«
    Danach ging alles recht schnell. Prok hatte bereits größere Räumlichkeiten beantragt – er wollte ein neues Quartier, das unserem Erfolg angemessen war, mit schallisolierten Interviewräumen, Arbeitszimmern für sämtliche Mitarbeiter, zusätzlichen Büroräumen sowie einer eigenen Bibliothek für die Erotika-Sammlung –, und die Notwendigkeit eines Fotolabors verlieh dieser Forderung noch mehr Gewicht. Rutledge war Amateurfotograf, und seit er zu uns gestoßen war, hatte er es übernommen, Fotos von erotischen Zeichnungen und Kunstobjekten aus aller Welt zu machen, die uns von ihren Besitzern zur Verfügung gestellt worden waren, und Prok hatte im Keller des Hauses in der First Street eine behelfsmäßige Dunkelkammer eingerichtet, doch das alles war unzureichend. Prok lief auf Hochtouren. Die Tantiemen aus dem Verkauf des ersten Bandes trafen ein, und er beschloß, die beste Foto- und Filmausrüstung

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