Dr. Sex
will danach gleich wieder zurück.«
Ich erhob mein Glas in ihre Richtung. »Warum? Um weiter zu üben?«
Sie lächelte jetzt, John junior kletterte auf ihr herum – bitte, bitte –, und in ihrem Blick war etwas Spielerisches, als würde sie sagen: Dir ist vergeben. Und warum sollten wir streiten, wenn doch die Liebe zwischen uns, zwischen zwei jungen, gesunden Menschen, so viel mehr war als die Summe der Verluste und Bedenken. »Nein«, sagte sie, »ich dachte da eher an etwas anderes. An eine Statistik. Vielleicht kannst du mir da helfen – es ist nämlich schon eine ganze Weile her ...«
»Ja?«
»Über die Häufigkeit von S-E-X« – sie buchstabierte das Wort, damit John junior es nicht bei jeder Gelegenheit hinausposaunte, wie er es mit »BH« und »Straps« tat – »bei seit mindestens fünf Jahren verheirateten Paaren. Einmal pro Woche, oder?«
»Nein, nein«, sagte ich und schüttelte professoral den Kopf, »mindestens doppelt so oft.«
Am nächsten Tag machten Rutledge und ich gemeinsam Kaffeepause, und bei dieser Gelegenheit erfuhr ich von der Sache mit Elster. Erst hatten wir über Klarinetten gesprochen – ich sagte: »Wie ich höre, hat Hilda ihre musikalische Ader wiederentdeckt« – und dann über die Reise an die Pazifikküste. Er sagte, er sei froh gewesen, diesmal daheim bleiben zu dürfen, denn er habe es langsam satt, immer nur Interviews zu führen wie eine Hilfskraft (»Nichts für ungut, John«), während er doch eigentlich eingestellt worden sei, um echte Forschung zu betreiben. Als einer, der Prok gleichgestellt oder wenigstens doch sein Partner war. Und dann erwähnte er beiläufig, als wäre es ganz unwichtig, Elsters neue Zuständigkeit.
Ich war verdattert. »Elster?« wiederholte ich. »Aber er ist ... Also, er ist kein Freund des Projekts. Er hat ... Hab ich dir nie von Fred Skittering erzählt, von dieser Sache damals?« Und dann erzählte ich es ihm in aller Ausführlichkeit.
Rutledge behielt die Ruhe. Das war typisch für ihn. Das Gebäude konnte in Flammen stehen, doch er würde nicht die Stimme erheben und sich nicht schneller bewegen als bei einer Beerdigung. Ich dachte an jene Nacht in dem Hotelzimmer mit Mac und daran, wie er die Schultern gereckt hatte und mit ihr ins Schlafzimmer gegangen war, als wären hier soldatische Tugenden gefordert, als wäre dies eine Sache von Befehl und Gehorsam. Doch als ich ihm nun das Ausmaß von Elsters Perfidie – oder jedenfalls dessen, wozu er imstande war – enthüllte, nahm sein Gesicht einen anderen Ausdruck an. Schließlich sagte er: »Du meinst also, man kann ihm nicht trauen?«
»Genau«, sagte ich. »Das meine ich.«
Er strich über seinen Schnurrbart, sah sich im Korridor um, ob Prok in der Nähe war, und zündete sich eine Zigarette an. Dann löschte er das Streichholz mit einer wedelnden Handbewegung, ließ es fallen und zertrat es. »Na ja, wir müssen eben vorsichtig sein. Immer daran denken. Und wir müssen Prok darauf hinweisen, denn es ist doch so, daß wir die einzigen sind, die wissen, was hier läuft, und ich brauche dir ja nicht zu sagen, was los ist, wenn irgend etwas, und sei es nur die kleinste Kleinigkeit, in die Öffentlichkeit durchsickert. Aber sieh dir Mrs. Matthews an und die beiden Frauen, die wir angeheuert haben, Laura Peterson und die andere. Die haben doch keine Ahnung, oder? Und dabei sind die den ganzen Tag im Institut.«
Aber ich war nicht überzeugt. Vielleicht war es eine Überreaktion, vielleicht schätzte ich diesen Mann ganz falsch ein – aber andererseits hatte er versucht, mich auszuhorchen, und zwar nicht einmal auf eigene Initiative, sondern auf Drängen eines Dritten, eines Journalisten. War er dafür bezahlt worden? Oder war er von Natur aus ein Verräter?
»Übrigens«, sagte Rutledge, kniff die Augen vor dem Zigarettenrauch zusammen und trank zugleich einen Schluck Kaffee, »hast du schon von dem musikalischen Abend am Sonntag gehört?«
Ich streckte die Hände aus, die Handflächen nach oben, und machte wohl ein wenig begeistertes Gesicht. »Mh-mh«, sagte ich. »Nein.« Nicht daß ich mich nicht gefreut hätte, etwas über klassische Musik zu erfahren – ich hatte Gefallen daran gefunden, sogar an Opern –, aber diese Abende waren wie eine Fortsetzung der Arbeit an einem anderen Ort. Und Iris haßte sie. »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Ich bin müde. Ehrlich gesagt hängen mir diese musikalischen Abende zum Hals raus.«
Rutledge sah mich unverwandt an, die Lippen unter
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