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Dr. Sex

Dr. Sex

Titel: Dr. Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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Aber Orgasmen. Ich meine, gibt es was Lächerlicheres?«
Ich erinnere mich an einen Abend in jener Zeit, irgendwann im Winter oder Vorfrühling. Ezra und Dick Martone, die ihr Studium abbrachen, um sich freiwillig zu melden, kamen mit zwei Freundinnen und drei großen, bauchigen Einkaufstüten voller Bier- und Ginflaschen. Das war Dicks Lieblingsdrink: Gin aus einer silbernen Flasche, gemischt mit Tonicwater aus einem Siphon. Die Frauen waren unscheinbar, hatten Aknenarben und Haar, das wie tot wirkte – ich glaube, es waren Schwestern, vielleicht sogar Zwillinge –, und abgesehen von den üppigen Rundungen war schamlose Lüsternheit ihr augenfälligster Reiz. Sie benutzten schmutzige Wörter, tranken wie die Bürstenbinder und hatten der Hälfte der männlichen Studentenschaft »einen geblasen«. Da sie patriotische Mädels waren, gefielen ihnen Uniformen besonders.
    Jedenfalls feierten wir eine Abschiedsparty, und Iris machte Lammkeule mit Bratkartoffeln, Karotten und süßem Mais, Biskuits frisch aus dem Ofen und zum Nachtisch Pfirsichkuchen. Ich verbrachte den Nachmittag – es war ein Samstag – damit, die Teppichkehrmaschine durch die Wohnung zu schieben, Gemüse zu putzen und zum Laden zu gehen und Minzsauce, Knoblauch, ein Pfund Margarine oder sonst irgend etwas zu kaufen, das Iris in letzter Minute brauchte. Ich sagte ihr, es sei keine große Sache, bloß Dick und Ezra und ihre Freundinnen, zwei Frauen, die wir nie wiedersehen würden und die nur zu einem einzigem Zweck dabei waren, aber Iris war nicht zu bremsen. »Das ist unser erstes Abendessen mit Gästen, John«, sagte sie und hantierte, den Rücken zu mir gekehrt, am Spülbecken. »Das erste Mal, daß wir Gäste in unserer eigenen Wohnung haben.«
    Das Wasser lief, Dampf stieg auf, der köstliche Geruch der Lammkeule erfüllte alle Winkel unserer Drei-Zimmer-Küche-Bad-Wohnung mit einem Flair von Reichtum und Opulenz, so daß ich mir vorkam wie ein Raubritter, wie ein Sultan, der auf bunten Teppichen ruht, während von unten, aus der Palastküche, die exotischen Düfte der zubereiteten Speisen heraufziehen. Ich legte meine Hände auf ihre Hüften und küßte sie hinter dem Ohr. »Ich kenne dich«, sagte ich und lehnte mich an sie, drückte mit dem Unterleib gegen die Rundung ihres Hinterns, »du willst nur angeben.«
    Sie machte sich steif und straffte die Schultern, und die Teller tauchten aus dem Seifenschaum auf, versanken im Becken mit klarem Wasser und landeten auf dem Abtropfgestell, in einem Tempo, als wäre Iris ein Roboter. »Du könntest mir helfen«, sagte sie, ohne sich umzusehen. »Du könntest abtrocknen. Wir brauchen die Teller für den Tisch, und unsere Gäste werden in weniger als einer Stunde hier sein.«
    »Klar«, sagte ich, »klar«, und ich nahm das Geschirrtuch und stellte mich neben sie. »Aber du brauchst wirklich nicht so viel Aufwand zu treiben, nicht für Dick und Ezra –«
    Sie wandte mir ihr Halbprofil zu, und ich sah ihre Unterlippe und den pfeilschnellen Seitenblick. »Und wenn ich nun angeben will mit meiner Wohnung – und mit meinem Mann? Ich bin stolz darauf. Du nicht?«
    Ich sagte ihr, natürlich sei ich ebenfalls stolz, und versuchte sie zu umarmen, in der Hand eine nasse Vorlegeplatte, und vielleicht war ich ein bißchen ungeschickt – noch keineswegs betrunken, ganz und gar nicht, aber ich gestehe, daß ich zur Einstimmung schon einen Schluck getrunken hatte. Jedenfalls fiel die Platte zu Boden und zerbrach. In tausend Stücke. Wir standen stocksteif da und starrten entsetzt auf die Trümmer. Es war unsere einzige Vorlegeplatte, die Platte, auf der die Lammkeule serviert werden sollte, und diese Krisis war zuviel für Iris. Sie warf mir einen wilden Blick zu, durchpflügte den Perlenvorhang und stapfte ins Schlafzimmer, dessen Tür sie hinter sich zuknallte. Ich wollte zu ihr gehen und mich entschuldigen – oder nein, ich war mit einem Mal wütend und wollte gegen die Tür treten, am Griff rütteln und sie anschreien, denn es war doch schließlich nicht das Ende der Welt, bloß ein kleiner Unfall, und warum sollte ich das nun ausbaden?
    Warum reißt du das verdammte Dingnicht gleich aus den Angeln, hm? Das wollte ich sagen, das wollte ich brüllen. Aber ich tat es nicht. Ich ging zur Tür, doch sie war abgeschlossen. »Iris«, sagte ich. »Ach, komm schon, Iris.« Ich lauschte – weinte sie? – und ging dann wieder in die Küche, wo ich mir noch einen Bourbon einschenkte und auf den Knien herumrutschte,

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