Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth
und so zog sich die bizarre Polonaise durch den ganzen Saal. Wer ein Instrument hatte, spielte es. Alle anderen schrien und johlten und richteten den Blick empor zu den unsichtbaren Seilen, an denen die imaginären Geister vom Himmel gleiten würden. Plötzlich blieb Tik ohne Vorwarnung stehen und drehte den Kopf so schnell in Richtung Bühne, dass den vier Männern am Tisch das Herz stockte. Mit einem Mal war es mucksmäuschenstill.
»Sie sind da«, flüsterte Tik. Er hob den Blick, streckte die Arme zur Decke und schien langsam anzuschwellen. »Willkommen.« Die anderen taten es ihm nach. Einige zuckten, als sei ihr Körper dem Ansturm der Geister nicht gewachsen. Andere schlangen sie gierig in sich hinein. Wieder andere stopften sie sich gleich dutzendweise in die Ohren.
Und wie eine Armee von Zombies wandten Tik und die Schamanen sich zur Bühne – langsam wie schmelzendes Eis und stumm wie die Gräber, denen die Geister angeblich entstiegen waren – und starrten Houey mit großen, blicklosen Augen und gebleckten Zähnen an.
Auch die Kader auf der Bühne schienen in einer Art Trance gefangen. Sie blickten auf die Flut von sabbernden, glotzenden, von weiß Gott wie vielen bösen Geistern besessenen Menschen. Darauf hatte sie das Manifest nicht vorbereitet. Die grüne Hose des Sicherheitsbeamten war im Schritt bereits merklich dunkler als der Rest seiner Uniform. Siri sah in das wachsweiße Gesicht des Genossen Houey. Eins musste man dem Gouverneur lassen: Er suchte nicht das Weite. Stattdessen unternahm er den heroischen
Versuch, seine Rede – wenn auch mit bebender Stimme – fortzusetzen.
»Genossen Geister. Kraft... kraft meines Amtes als … als Vertreter der...« Er hatte das Luftholen vergessen und musste innehalten. Nach ein oder zwei verstohlenen Atemzügen hatte er sich einigermaßen beruhigt. »... als Vertreter der LRVP habe ich Ihnen folgende Mitteilung zu machen.«
Er streckte die Hand aus, um sich das Dokument geben zu lassen. Aber der Sicherheitsbeamte war zur Granitbüste erstarrt. Nur seine Augen bewegten sich und huschten in einem fort über die Gesichter der Schamanen. Houey entriss ihm das Papier und las. Seine Hände zitterten, und es war ein Wunder, dass er den Text überhaupt entziffern konnte.
»Sie haben drei... und diese Idee stammt nicht von mir. Sie haben drei Alternativen.«
Er blickte auf, doch die erwartete Reaktion blieb aus.
»Erstens, Sie können der ehemaligen Königsfamilie in den Nordosten folgen.«
Da kam ihm ein Gedanke.
»Es bleibt natürlich Ihnen überlassen, wie... äh, das bleibt natürlich Ihnen überlassen.«
Eigentlich hatte er »wie Sie dort hinkommen« sagen wollen, besann sich jedoch rechtzeitig eines Besseren.
»Zweitens, falls Sie vorhaben, in Luang Prabang zu bleiben, müssen Sie in einem Tempel Dienst tun. Ihnen wird...«
Ihm fiel auf, dass einige Schamanen vibrierten wie Wäscheschleudern. Das verunsicherte ihn.
»Ihnen wird ein bestimmter Tempel zugewiesen, und Sie werden zu Tempelgeistern ordiniert. Sie sind selbstredend zur aktiven Mitarbeit verpflichtet.«
Die Vibrationen wurden stärker, und einer der Pfeifer stahl sich über die Bühne davon.
»Drittens, sollten Sie sich sowohl der ersten als auch der zweiten Möglichkeit verweigern, werden Sie...«
Er blickte auf und überlegte, ob er weiterlesen sollte. Die Vibrationen waren jetzt ausgeprägter, als wäre das Publikum ein einziger großer Wackelpudding. Er holte noch einmal tief Luft. Der zweite Pfeifer nahm Reißaus.
»... werden Sie aus Laos verbannt. Da wir selbstverständlich nur ungern zu dieser Maßnahme greifen, möchte ich Sie bitten, eine der beiden anderen Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. Ich schlage vor, Sie gehen jetzt nach Hause und lassen sich die Sache gründlich durch den Kopf gehen. Sie müssen sich nicht sofort entscheiden. Wir sind schließlich keine Unmenschen. Alles klar?«
Schweigen. Der Stuhl des Sicherheitschefs krachte zu Boden, als der Mann die Beine in die Hand nahm und zum Hinterausgang flitzte. Nun war Houey allein, den Schamanen schutzlos ausgeliefert.
»Gut. D... damit wäre unsere heutige Versammlung b... beendet. Ich, äh...«
Houey sparte sich die üblichen Abschiedsfloskeln, machte auf dem Absatz kehrt und eilte, immer schneller werdend, auf den Ausgang zu. Der Zettel mit den drei Bedingungen schwebte wie ein Blatt lautlos auf die hölzerne Bühne.
Die Höflichkeit gebot es zu warten, bis die Beamten außer Hörweite waren. Doch als die
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