Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth
bildeten ein Viereck vor der königlichen Truhe. In eine dichte Wachsrauchwolke gehüllt, saßen zwei weiß gewandete Gestalten im Schneidersitz auf dem Boden. Die eine blickte auf und warf dem Eindringling einen erbosten Blick zu.
»Um Himmels willen, Junge. Wo bleiben Sie denn so lange?«
Endlich wagte Phosy wieder zu atmen.
»Siri?«
»Mir fällt ein Stein vom Herzen. Ich dachte schon, Sie hat’s erwischt. Kommen Sie her. Wir brauchen einen dritten Mann.«
Mit knirschenden Schritten näherte Phosy sich dem nebelumwogten Windlichtgeviert.
»Ich verstehe nicht …«
Die zweite weiß gewandete Gestalt war ganz in sich und im Gebet versunken und nahm ihre Umgebung gar nicht wahr.
»Das«, flüsterte Siri, »ist Inthanet. Er wird Ihnen die Truhe öffnen. Nun setzen Sie sich schon.«
Von seiner Angst noch leicht benebelt, ließ Phosy den Blick durch den Raum schweifen. Die laute Musik plärrte aus einem alten Kassettenrecorder auf der Werkbank. Die Wiedergabetaste war offenbar defekt, denn sie war mit einem Stück Klebeband fixiert.
Zwischen Siri und Inthanet lag ein weißes Tuch mit roten Flecken ausgebreitet, darauf ein abgetrennter Schweinekopf und, wie in der Auslage eines Fleischers, diverse andere Innereien. Phosy hoffte, dass sie von Tieren stammten. Diese Blutorgie war mit einem hübschen Arrangement aus Bananen, Mangostanen und jungen Kokosnüssen geschmückt, die wie Verzierungen auf einer großen Hochzeitstorte aussahen.
Auf der Truhe stand ein Tablett mit einem zeremoniellen Kegel aus Bananenblättern, um den sich, fächerförmig angeordnet, weitere Bananenblätter und reife Bananenscheiben gruppierten. Vier Paar lange, dünne Bienenwachskerzen, eine Schnittblume und ein Räucherstäbchen ragten aus dem mit ungesponnenen Baumwollfäden und stark riechendem Jasmin behängten Gebilde.
Daneben lagen ein Silbermesser, Münzen und mehrere auf Hochglanz polierte Steine. Auf der Spitze des Kegels thronte ein Ei, das der Schwerkraft mühelos zu trotzen schien. Da Phosy solche Konstruktionen von Hochzeiten und Geburtstagsfeiern kannte, wusste er, dass hier eine basee -Zeremonie im Gange war. Die übertraf jedoch so ziemlich alles, was er je gesehen hatte.
»Siri, ich...«
»Schhh. Er kommt wieder zu sich.«
Inthanet erwachte aus seiner Gebetstrance, und obwohl er ihn die ganze Zeit angestarrt hatte, schien er Phosy jetzt erst zu bemerken.
»Wie geht es Ihnen, mein Junge?«, fragte er.
»Gut.«
Eine glatte Lüge.
Inthanet nahm das Ei von dem Kegel und streckte es Phosy hin, der es sich in die offene Hand legen ließ. Dann entzündete der alte Mann die dünnen Wachskerzen an den vier Windlichtern, klemmte sie zwischen seine Handflächen und ließ sie kreisen, so dass sich die Rauchschwaden dreimal um den Kegel und einmal um Phosys Gesicht zogen. Er reichte die Kerzen an Siri weiter, der den Vorgang wiederholte, während Ithanet auf Pali eine Beschwörungsformel deklamierte.
Nach einer Weile ergriff Inthanet mit der Rechten das basee -Tablett und mit der Linken Phosys Hand, die das Ei hielt. Flatternd schlossen sich seine Lider. Phosy hob die rechte Hand. Siri steckte die Wachskerzen wieder in den Kegel und legte jedem der beiden Männer eine Hand auf den Arm, um den Kreis zu schließen. Inthanet deklamierte noch immer rätselhafte Formeln, mit einer Ernsthaftigkeit, die der Situation durchaus angemessen schien.
Als er von Neuem aus seiner Trance erwachte, löste er einen Faden von dem Kegel. Er schlang ihn dreimal um Phosys Handgelenk und verknotete ihn dann. Die beiden anderen taten es ihm nach und banden sich gegenseitig Baumwollschnüre um die Handgelenke, bis alle Fäden aufgebraucht waren.
Mit einem letzten Feuerwerk geheimnisvoller Worte nahm
Inthanet Phosy das Ei ab, zerschlug es auf dem Boden und inspizierte das Schaleninnere. Es war makellos, nahezu vollkommen. Er lächelte in die Runde: Die Zeichen standen gut. Dann nahm er das Tablett von der Truhe und legte die Hand flach auf den Deckel.
Halblaut vor sich hin murmelnd, hob er langsam die Hand. Der Deckel knarrte und hob sich mit ihr, als sei seine Hand ein starker Magnet. Sie war jedenfalls stark genug, um die Augenbrauen der beiden Zuschauer in die Höhe schnellen zu lassen. Als der Deckel schließlich offen stand und an der Werkbank lehnte, sah Inthanet in die Truhe und lächelte, als würde er alte Freunde begrüßen.
»Na, wie geht’s euch, meine Schönen?«
Er nickte Siri zu, worauf dieser eine Flasche Reiswhisky entkorkte,
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