Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth

Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth

Titel: Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
Vom Netzwerk:
die inmitten der Schlachtplatte auf dem weißen Tuch gestanden hatte. Er goss etwas davon in einen Plastikbecher und reichte ihn Inthanet. Der nahm ein oder zwei Schlucke und behielt den Rest im Mund. Dann beugte er sich über die Kiste und pustete die fein zerstäubte Flüssigkeit durch seine zusammengepressten Lippen.
    »So, davon solltet ihr eigentlich wach werden.«
    Phosy platzte schier vor Neugier, wagte es aber nicht, die Zeremonie zu unterbrechen. Doch nicht lange, und seine Geduld wurde belohnt. Während Siri sich an einem Windlicht eine Zigarette anzündete, griff Inthanet behutsam in die Truhe und holte den Anführer der Xieng-Thong-Puppen daraus hervor. Es war ein perlgesichtiger Prinz in ehemals glitzernden Gewändern. Von der Spitze seiner bloßen Füße bis zum Scheitel seines Flügelhelms maß er gut fünfundvierzig Zentimeter.
    Inthanet nahm einen zweiten Schluck Whisky und spie ihn dem Prinzen ins Gesicht. Der neue Glanz schien ein
Grinsen auf seine Züge zu zaubern. Siri hatte das Gesicht schon einmal gesehen. Es war ihm im Traum erschienen. Nur wäre er nie darauf gekommen, dass es einer Puppe gehörte. Sie hatte auf dem Dach des Ministeriums gejubelt, nachdem der Beamte zu Tode gestürzt war. Sie hatte für ihn und den König getanzt. Sie hatte Siri angestarrt, als er in der Kiste eingesperrt gewesen war. Jetzt wurde ihm klar, dass er in der königlichen Truhe gelegen und durch die mattschwarzen Augen dieser Puppen geblickt hatte.
    Siri reichte dem alten Mann die brennende Zigarette. Der zog daran und blies dem Prinzen Rauch ins Gesicht. Unverschämtheiten wie diese waren für die Puppengeister offenbar eine Art Respektbezeugung. Phosy stellte sie sich in einer zwielichtigen Puppenkneipe vor. Liebevoll wiederholte Inthanet die Geste bei allen vierzig Figuren.
    Er nannte jede einzelne beim Namen und erzählte lustige Anekdoten über sie. Der grüngesichtige Dämon etwa war ein echter Schwerenöter. Einmal hatte die Truppe eine besonders hübsche Puppenspielerin engagiert. Beim morgendlichen Erwachen starrte sie wiederholt in das lüsterne Gesicht des Dämons, der sie mit gebleckten weißen Hauern angrinste. Da die Tür des Mädchens stets verschlossen war, konnte niemand den Dämon heimlich in ihr Zimmer geschmuggelt haben. Nach kurzer Zeit verließ sie die Truppe.
    Eine andere Puppe war eine schlanke Tänzerin mit spitzem Kopfschmuck. Eines Tages ließ ein alter Puppenspieler in einer besonders dramatischen Szene versehentlich den Stab der Puppe los, gerade als sie zu einem Sprung ansetzte. Sie segelte bis unters Dach und blieb mit ihrem Kopfschmuck in einem Balken stecken. Zwar wurde sie rasch gerettet, aber diese Schmach konnte die Tänzerin nicht auf sich
sitzen lassen. Am nächsten Morgen fand man den Puppenspieler in der Krone eines hohen champac- Baums. Er hatte keinen Schimmer, wie er dorthin geraten war.
    Eine dritte Puppe mit dicken roten Backen wollte erst in die Truhe zurück, wenn sie an einer Zigarette ziehen durfte. Die Glut glomm hell, als die Zigarette ihre Lippen berührte, und aus den Ohren der Puppe strömte Rauch, obwohl sie so massiv war wie ein Stück Seife.
    Sie hatten die Zeit völlig vergessen. Als schließlich alle Puppen auf der Werkbank aufgereiht lagen, sah Phosy auf seine Uhr: Es war kurz vor Sonnenaufgang. Sämtliche Zigaretten waren geraucht. Zwei leere Whiskyflaschen lagen umgestürzt auf dem Fußboden. Als sich der Truhendeckel schloss, erlosch auch die letzte Kerze und sandte einen letzten grauen Rauchfetzen zur Decke.
    »So, die machen Ihnen keine Ärger mehr«, seufzte Inthanet. »Ich weiß ja nicht, wie Sie sich fühlen, aber ich bin fix und fertig. Können wir jetzt nach Hause gehen?«

18
    DIE INTHANET-VERBINDUNG
    Gegen Mittag wachten die beiden weißhaarigen Männer schweißgebadet auf. Es war ein teuflisch heißer Tag, und nirgends regte sich ein Lüftchen. Die Bullenhitze hätte einen eisernen Torpfosten zum Schmelzen bringen können. Siri und Inthanet waren nur deshalb nicht schon früher aufgewacht, weil die Zeremonie der letzten Nacht sie an den Rand ihrer geistigen Kräfte gebracht hatte. Sie waren so ausgelaugt, dass sie selbst dann nicht wach geworden wären, wenn das Haus in Flammen gestanden hätte.
    Siri blickte von seiner Pritsche auf, Inthanet aus seiner Hängematte.
    »Heiß heute, was?«
    »Verdammt heiß.«
    Sie lächelten, kratzten sich und richteten sich auf.
    »Sie wollen sicher möglichst schnell zurück nach Luang Prabang«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher