Dr. Stefan Frank - Halt dich an mir fest!
abschminken, oder, Ulrich? Du lässt ihn nicht raus, und ich weigere mich, mich um ihn zu kümmern. Und wenn er sich nicht benimmt und weiter Theater macht, hetze ich Schwester Martha auf ihn.“
„Du liebst mich nicht“, brummte Dr. Frank.
„Wer will Schwester Martha auf Stefan hetzen?“ Eine weitere Besucherin war ins Zimmer gekommen.
Dr. Frank stöhnte auf.
„Nicht auch noch du, Ruth!“, seufzte er. „Willst du auch noch auf mir herumhacken?“
„Wollte er schon wieder nach Hause?“, wandte sich Ruth Waldner an ihren Mann und Alexandra.
Die beiden begannen zu lachen.
„Ihr lacht mich aus“, beschwerte sich Dr. Frank.
„Tun wir nicht“, behauptete Ulrich Waldner. „Aber im Ernst, Stefan: Auch wenn wir jetzt Witze machen, du bist immer noch krank. Muss ich dir denn wirklich erklären, dass eine Pneumonie erst nach rund zehn Tagen intensiver Behandlung ausgeheilt ist? Gott sei Dank verläuft die Heilung bei dir ohne Komplikationen, aber ich werde dich trotzdem keinen Tag eher entlassen. Und wenn du meinst, du müsstest früher gehen, dann kündige ich dir die Freundschaft auf!“
„Ich kann doch auch zu Hause im Bett liegen“, versuchte Dr. Frank es ein letztes Mal. „Aber ich habe wohl keine Chance, euch umzustimmen.“
„Nein“, kam es dreistimmig zurück.
„Das habe ich befürchtet“, meinte er. „Aber ich langweile mich hier zu Tode.“
„Niemand stirbt an Langeweile“, widersprach Ulrich Waldner. „Eher schon an einer nicht auskurierten Lungenentzündung.“
„Bingo!“, meinte Ruth und klopfte ihrem Mann auf die Schulter.
„Na ja, vielleicht heitert dich das ja ein bisschen auf: Frau Tiberius hat angerufen und sich nach dir erkundigt.“
„Wer ist das?“, wollte Ruth wissen.
„Eine hübsche, junge Frau“, erwiderte Dr. Frank.
„Noch eine, die eine Schwäche für dich hat?“, fragte Ulrich Waldner mit leichtem Spott.
Der Grünwalder Arzt lachte und bereute es sofort. Erneut schüttelte ihn ein Hustenanfall.
„Nein, sie hat mir gesagt, dass ich sie an ihren Vater erinnere“, antwortete er, als er wieder reden konnte.
„Oje, Stefan, ich glaube, jetzt werden wir wirklich alt“, meinte der Klinikchef. „Neulich hat eine blutjunge Patientin genau das Gleiche zu mir gesagt!“
Grinsend sahen die beiden Frauen sich an.
„Sollen wir euch jetzt bedauern?“, erkundigte sich Ruth.
***
Eine halbe Stunde später war der Grünwalder Arzt wieder allein. Ein bisschen schämte er sich ja dafür, dass er sich so unvernünftig verhielt, aber es war langweilig hier!
Ulrich hatte vollkommen recht, er musste sich weiterhin schonen. Nur war er es einfach nicht gewohnt, nichts zu tun und still im Bett zu liegen. Es machte ihn nervös. Obwohl sich alle so wunderbar um ihn kümmerten, sehnte er sich danach, endlich wieder in sein Haus zurückzukehren.
Ob Isabell sich mit ihm treffen wollte? Inzwischen hatte sie längst das Gespräch mit dem Anwalt geführt. Was wohl dabei herausgekommen sein mochte?
In den letzten Monaten, in denen er Johannes Baldenau betreut hatte, hatte er seinen Patienten recht gut kennengelernt. Johannes hatte sich gern mit ihm unterhalten, und so hatte er die Besuche bei ihm stets so gelegt, dass er genug Zeit hatte und bei niemand anderem mehr vorbeischauen musste.
Johannes Baldenau hatte an Magenkrebs gelitten, der zu spät erkannt worden und daher inoperabel gewesen war. Zweimal hatte er eine Chemotherapie über sich ergehen lassen, dann jedoch, als sich kein wirklicher Erfolg zeigte, jede weitere Behandlung abgelehnt. Bis auf die letzten beiden Wochen war es ihm relativ gut gegangen, nur als die Schmerzen schlimmer geworden waren, hatte er sich Morphium verschreiben lassen.
„Ich kämpfe nicht gegen die Krankheit an, weil ich weiß, dass es eh ein aussichtloser Kampf wäre. Die Kraft, die mir geblieben ist, möchte ich lieber für andere Dinge nutzen“, hatte er einmal erklärt.
Dann hatte er gelächelt.
„Mein Krebs und ich, wir haben uns arrangiert, und noch kommen wir ganz gut miteinander zurecht“, hatte er seinem Arzt erklärt. „Das Einzige, was mich ärgert, ist, dass ich eigentlich zu jung bin, um zu sterben. Allerdings tröstet es mich ein wenig, dass ich mein Leben ausgiebig genossen habe. Um wie viel schlimmer sind Menschen dran, die ebenfalls früh sterben müssen, doch immer nur irgendwelchen unwichtigen Dingen hinterher gehetzt sind und dafür alle Freude und Leichtigkeit aus ihrem Leben gestrichen haben.“
Wie recht er
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