Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)
Kilometer nach der Grenze hatte sich Martin wieder weitestgehend beruhigt. Erst jetzt bemerkte er, dass Antonias Linke sein rechtes Handgelenk die ganze Zeit über mit erstaunlicher Kraft gedrückt hatte. Nun ließ auch ihre krampfartige Umklammerung allmählich nach. Sanft streichelte sie über Martins schmerzendes Handgelenk und murmelte: »Sorry.«
Und dann schlüpfte ihre kleine Hand wie selbstverständlich in seine und ihre Finger verschränkten sich ineinander, als ob sie das schon immer so getan hätten. Er musste sie nicht ansehen, um zu wissen, dass sie erleichtert lächelte, genau wie er. Nein, das stimmte nicht, vielmehr grinsten sie beide wie gerade ausgebüxte Irre. Das Gefühl von Antonias Hand in seiner war mit Abstand das beste, das Martin seit langem gespürt hatte.
Und doch lag das Schlimmste noch vor ihnen.
Führungsqualitäten
8. November, Murnauer-Institut, Hamburg, Deutschland
M urnauer starrte auf die Reihe der Computerbildschirme an der Wand, die vor seinen Augen zu bunten Schlieren aus Licht verschwammen. Lichtflecken, die versuchten, ihm ihre Informationen zum düsteren Meeresgrund seines Bewusstseins zu senden. Sie hatten dabei wenig Erfolg. Murnauer hatte seit Ewigkeiten nicht geschlafen, schien es, aber er fühlte die Müdigkeit nicht. Irgendwann würde er sie spüren und sein Körper den Tribut fordern, aber das war im Moment nicht wichtig.
Wenn er den Draakk wieder eingefangen und ihnen Singers Kopf vor die Füße gelegt hatte, konnte er eine Woche lang durchschlafen, wenn ihm danach war. Vorher nicht.
Immer noch keine Neuigkeiten, weder von Singer noch von dem Draakk-Wesen. Zero. Nichts. Nada, komplett von der Bildfläche verschwunden. Die Idee, nach Singers Tochter zu suchen, hatte sich zwar prinzipiell als gut erwiesen, aber auch dort waren sie zu spät gekommen. Singer hatte sie ihnen bereits weggeschnappt. Die beiden hatten sich einen Wagen »geborgt« von diesem blondierten Schwachkopf von einem Studenten, dessen einzige Sorge war, dass er sein teures Spielzeug wieder heil in die Hände bekam. Verdammter Idiot, sie hatten momentan wirklich andere Sorgen als sein von Papa finanziertes Wägelchen. Wie zum Beispiel die Frage, wo genau sich die verdammte Karre im Moment befand.
Erst war Singer angeblich im hohen Norden, bei Flensburg gesichtet worden, und Murnauer hatte einen nervenzehrenden Kampf mit den dänischen Grenzbeamten geführt, der sich genau in dem Moment in Wohlgefallen aufgelöst hatte, als er drohte, zum Politikum zu werden. Plötzlich hatte niemand mehr gewusst, woher die Sichtungsmeldung überhaupt gekommen war. Irgendein Beamter hatte sich wichtig machen und die Belohnung kassieren wollen, so schien es. Diese unfähigen Befehlsempfänger, es war zum Aus-der-Haut-Fahren.
Dann gestern, und natürlich war auch diese Information viel zu spät zu ihm gelangt, war ein Wagen, auf den die Beschreibung passte, auf den Überwachungskameras einer Tankstelle in einem kleinen Kaff irgendwo bei Freiburg im Schwarzwald gesichtet worden. Sie waren also eindeutig in Richtung Süden unterwegs. Italien, Österreich, Spanien vielleicht, um sich über Gibraltar nach Afrika abzusetzen, wo Singer vielleicht Bekannte hatte. All das war möglich. Oder aber …
Nach dieser Sichtung hatten sie ihre Spur wieder verloren, und der Wagen war irgendwie komplett vom Radar verschwunden. Sie konnten praktisch überall sein, verdammt. Deutschland war kein besonders großes Land und verfügte über eine ausgezeichnete Infrastruktur, zumindest was den Überwachungssektor betraf. Allerdings nur so lange, bis man einen flüchtigen Massenmörder suchte, schien es. Dann konnte das Land plötzlich verdammt groß sein. Und von offenen Grenzen auf allen Seiten umgeben. Schönes neues Europa.
Schlimm genug, dass er die Jungs mit den wirklich teuren Krawatten um Hilfe hatte bitten müssen. Er fing allmählich an, einer Menge Leute Gefallen zu schulden und das war etwas, das er gar nicht mochte. So etwas machte einen abhängig . Nachdenklich schob er sich eine weitere Attentin in den Mund und schluckte sie trocken runter.
Die Polizeieinheiten, die sie ihm zur Verfügung gestellt hatten, leisteten zwar ganze Arbeit, aber sie waren einfach zu wenige und zu langsam für die vielen Möglichkeiten, die sich Singer boten, um unterzutauchen. Zumindest für eine Weile – und das war gefährlich. Denn wer konnte schon sagen, auf welche Gedanken ein Peter Singer in der Zwischenzeit kommen mochte. Zu
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