Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)
Geringsten interessierte, solange es am Sonntagabend Tatort und im Sommer die Live-Übertragung der Champions League im Fernsehen gab. Das Leben schien kaum mehr als ein Puppenspiel, in dem andere die Fäden zogen und sie gerade mal die Marionetten abgaben. Und die Puppenspieler hinter den Kulissen – mächtig und doch auf eine fast noch erschreckendere Weise kindisch in ihrem Machtstreben – waren gleichermaßen gefährlich wie skrupellos. Eine Welt außer Kontrolle.
Er setzte sich wieder hin, den Becher mit frischem Kaffee in seiner Hand. Dann schaute er Martin direkt in das intelligente, junge Gesicht. »Gut. Dann ist das also in etwa der Deal, der dir vorschwebt: Du hilfst uns dabei, zu überleben, und diese Tatsache ermöglicht dir und deinen Kumpels, das Institut bloßzustellen. Richtig?«
Falls Martin sich ertappt fühlte, zeigte es das nicht im Geringsten. Stattdessen grinste er: »So in etwa. Ich behaupte auch gar nicht, uneigennützig zu handeln. Oder dass wir die Guten sind und die die Bösen. Gut und Böse sind Begriffe aus dem Märchen, wissen Sie? Aber so, wie ich das sehe, sind wir tatsächlich im Moment Ihre einzige Chance.«
Martin trank einen weiteren Schluck von seinem Kaffee, was ihm ungefähr so viel Freude zu bereiten schien, wie beherzt in ein großes Insekt zu beißen. Dann sagte er: »Kommen Sie, wir machen Fotos für Ihre Pässe.«
Nachdem Sie eine Weile vor einer kleinen, weißen Fotoleinwand posiert hatten, um biometrische Porträtfotos für ihre neuen Ausweise zu machen, gingen sie zu Bett. Sie waren erschöpft und würden morgen weitersprechen. Martin führte sie in das geräumige Gästezimmer, danach duschten Antonia und Singer und bereiteten sich auf die Nacht vor.
Nachdem er ihnen frisches Bettzeug gebracht hatte, setzte sich Martin in den gemütlichen Ohrensessel im Wohnzimmer, seinen kleinen Laptop auf dem Schoß, und begann, konzentriert auf dem Gerät herumzutippen. Als er aufschaute, blickte er in das lächelnde Gesicht der frisch geduschten Antonia. Sie stand einfach nur da, in dunkelroten Shorts und dem hellblauen T-Shirt mit Pauli, dem tapfer schaufelnden kleinen Maulwurf. Stand da mitten im Wohnzimmer und sah einfach hinreißend aus. Ihr langes Haar fiel in vollen, noch etwas feuchten Locken auf ihre schmalen Schultern und umspielte die Ansätze ihrer kleinen Brüste unter dem Shirt. An den Türrahmen gelehnt und mit diesem undeutbaren Gesichtsausdruck irgendwo zwischen Skepsis und offener Zuneigung schaute sie zu Martin herüber. Dann ging sie auf ihn zu und es gelang ihm beinahe, ihre langen Beine zu ignorieren. Beinahe.
Instinktiv schob er den linken Ärmel seines Sweatshirts herunter, um die Brandnarbe, die sich dort entlangzog, zu verdecken. Sie lächelte ihn an, kam näher und streichelte (eigentlich war es kaum mehr als ein flüchtiges Streifen) über seinen rechten Unterarm. Dann beugte sie sich zu ihm hinab und küsste ihn sacht auf die Wange, auf die rechte, die unversehrte. Und zum ersten Mal seit langer Zeit dachte er nicht mehr daran, wie sehr sich diese unversehrte von seiner anderen Gesichtshälfte unterschied. Zum ersten Mal, seit er vor über fünf Jahren schreiend aus dem brennenden Wagen gekrochen war.
Night Terrors
D ie Singers schliefen bereits fest, als Martin den Laptop endlich zuklappte. Die Polizei war offenbar nach wie vor planlos, was den derzeitigen Aufenthaltsort der Singers betraf. Gut. Er hatte saubere Arbeit geleistet.
Zuvor hatte er sich in das verschachtelte Netz von anonymen Servern eingeloggt und die Bilder für die Ausweise der Singers übermittelt. Die Jungs, die die Papiere fälschen würden, waren Profis. Er kannte sie nicht persönlich, aber ihre
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