Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)
gegenseitig angetan hatten, was Mütter ihren eigenen Kindern angetan hatten und Brüder ihren Schwestern. Gierig hatten sie ihre Gedanken auch nach den Fliehenden ausgestreckt, als Tharek und seine Begleiter die Schleuse hinter sich verschlossen hatten. Und mitten unter ihnen hatte reglos wie ein Fels das Wesen aus der Schwärze gestanden, dem sie sich alle geopfert hatten.
Und dieses Wesen hatte triumphiert.
Als Tharek aufs Meer hinausschaute, war nur noch die Spitze der zerborstenen Kuppel zu sehen. Es war fast vorbei. Obwohl beinahe tausend Lebensjahre auf der Erde ihn mit göttlichem Gleichmut beschenkt hatten, spürte er in diesem Moment eine tiefe Traurigkeit. So sehr sie den ungestümen Übermut der jungen Menschheit auch geschätzt hatten, eine Frage blieb nach all den Jahrtausenden offen, und diese Frage legte sich nun voller Bitterkeit auf seinen Geist:
Gab es im Wesen der Menschen einen Trieb, ein genetisches Vermächtnis, das sie anfällig machte für das Böse und Perfide? Etwas, das sie Dinge tun ließ, von denen sie wussten, dass sie falsch waren? War ihr Schicksal von Anfang an besiegelt gewesen?
War am Ende alles umsonst gewesen?
Tharek wandte sich um und blickte in die sorgenvollen Gesichter seiner Begleiter. Sie waren fünf, und das war alles, was geblieben war. Sie würden in die Berge gehen, sich verstecken und hoffen. Solange es Hoffnung gab. Für die Menschen würden sie jedoch aufhören, zu existieren. Sie würden ein Mythos werden, ein Märchen, das die Mütter ihren Kindern erzählten, damit sie an ein Licht glauben konnten im Angesicht der Dunkelheit, die auf ihren Planeten zuraste. Die Menschen wussten es noch nicht, aber tief in ihrem Inneren ahnten sie es bereits.
Die Menschen hatten ein Gespür für ihre totale Auslöschung.
Als er weiterging, presste er das kleine Päckchen eng an seinen Körper und stellte überrascht fest, dass er weinte. Er weinte um jene, die er geliebt hatte, weinte um seine edle Rasse, die an einem einzigen blutigen Tag mit ihrer Heimstatt im Meer und in der Vergessenheit versunken war.
Und er weinte um die Menschheit, der dieses Schicksal noch bevorstand.
I – Schlaf
Pragelpass
Pragelpass, Muotatal, Schweiz. Gegenwart.
A ls sie das Gipfelplateau erreicht hatten, fummelte der Alte aus den Taschen seiner Wanderjoppe eine kleine Pfeife und etwas Tabak hervor. Er beugte den Kopf, um im Windschatten seiner Hände die antike Holzpfeife anzustecken. Er blieb für einen Moment stehen und genoss den Geschmack des Rauchs und die Wärme, die von dem hölzernen Pfeifenkopf ausging. Der Alte schob sich den dunkelgrauen Filzhut in den Nacken und wischte sich ein paar Schweißperlen von der Stirn. Hin und wieder sog er an der Pfeife und ein paar feine Wölkchen stiegen daraus empor. Sein nachdenklicher Blick folgte den davonschwebenden Rauchgespinsten und wurde skeptisch, als er die Wolken am nördlichen Horizont gewahrte. Graue Wolken, keine reinweißen. Dies mochten durchaus die Vorboten eines Gewitters sein, welches sich irgendwo hinter dem Bös Fulen zusammenbraute. Es wurde Zeit, dass sie vom Gipfelpass verschwanden.
»Los, Tobi, weiter!« sagte er leise zu dem Bernhardiner und der zottige Hund setzte sich in Bewegung.
Nachdenklich zog der Alte ein weiteres Mal an seiner Pfeife, dann setzte er seinen Marsch fort. Er schritt nun zügiger aus. In etwa einer halben Stunde würden sie den Gruebiwald erreicht haben – dann wären sie in Sicherheit. Vom Gruebi war es nicht mehr weit bis ins Tal, und die mächtigen Bäume des riesigen Forsts würden sie einigermaßen gegen Wind und Wetter schützen. Mit etwas Glück
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