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Drachen der Finsternis

Titel: Drachen der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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wovor ich Angst habe. Der Tod selbst ist nicht schlimm, solange er rasch kommt.«
    »Was –?«, begann Christopher, doch sie schüttelte den Kopf.
    »Gehen wir«, sagte sie. »Es wird höchste Zeit.«
    Niemand sah die vier Gestalten, die an jenem Morgen in einer düsteren Gasse aus der Kanalisation kletterten. Und wenn sie doch jemand sah, so verschloss er die Augen und sagte sich, er hätte nichts gesehen. Zu viele unerklärliche Dinge geschahen in den Schatten der Stadt dieser Tage – zu viele Dinge, die man besser nicht sah.
    Auf dem Durbar Square warteten zwischen den Tempeln vier Panzer. Auch sie hatten schon zu lange gewartet. An diesem Abend würden sie lebendig werden, und die wenigen Menschen, die an ihnen vorübergingen, glaubten, die Seiten der gewaltigen Metallkörper beben zu sehen wie die Flanken nervöser Tiere. Das war natürlich Einbildung. Die Luft in der Stadt selbst bebte, und wo sie still stand, da konnte man sie schneiden, so dicht und dick war sie vor Anspannung und Angst. Keiner wusste, aber alle ahnten.
    Keiner sprach, aber alle dachten.
    Keiner gab es zu, aber alle spürten es.
    Nichts war mehr normal in der Stadt.
    Und durch diese bebende, zitternde Luft bewegte sich Christopher, die Taschen voll vom Duft des Wacholders. Es ist Unsinn, sagte er sich. Es ist vollkommen verrückt. Es kann niemals funktionieren.
    Es ist unsere einzige Chance.
    Die erste Tür, an die er klopfte, öffnete sich nur zögernd, und er schlüpfte in einen dunklen Hausflur.
    »Was willst du?«, fragte eine junge Frau. »Ich kenne dich nicht.«
    Christopher drückte ihr ein Stück Holz in die Hand, und sie starrte es verständnislos an.
    »An diesem Stück Holz hängt eine Geschichte«, sagte er, »die zu lang ist, um sie hier und jetzt zu erzählen. Wenn die Glocke des größten Tempels auf dem Durbar Square heute erklingt, müsst ihr das Holz anzünden und die Fackel in euer Fenster stellen. Es wird Abend sein, oder Nacht. Und überall in der Stadt werden die gleichen Fackeln leuchten. In den Straßen werden die Leute Kartans gegen die Aufständischen kämpfen. Ihr wisst das, ich muss es euch nicht sagen.«
    Ein Mann war hinter die Frau in den dunklen Hausflur getreten und musterte Christopher, lauschend, aufmerksam. Die Worte, die er sprach, waren nicht seine Worte. Es waren Jumars Worte; Jumars gewandte, gefeilte Sätze. Er brauchte sie, und sie kamen ihm wie selbstverständlich zu Hilfe, ohne dass er sich erklären konnte, woher.
    »Das Licht der Fackeln wird kein gewöhnliches Licht sein«, fuhr er fort. »Es wird in allen Farben des Regenbogens sprühen und funkeln. Und es wird die Drachen herbeilocken.«
    »Die Drachen?« fragte der Mann.
    »Ihre Schatten werden auf die Kämpfer in den Straßen fallen und sie zu Bronze verwandeln«, sagte Christopher. »Und auch das muss ich euch nicht sagen.«
    Der Mann neigte den Kopf. »Wir wissen davon. Es war noch kein Drache in der Stadt, aber die Geschichten erreichen uns im Gepäck derer, die aus den Bergen kommen.«
    »Solange ihr die Fackel entzündet und im Schutz eures Hauses bleibt, wo kein Schatten hinfallen kann, wird euch nichts geschehen. Wenn die Schatten der Drachen getan haben, wozu wir sie rufen«, schloss Christopher, »werden sie verschwinden. Es wird die Macht des Königs sein, die sie verschwinden lässt. Für immer. Der König hat einen Sohn, und er ist hier, ganz in der Nähe. Mehr kann ich euch nicht erklären.«
    Eine Weile schwiegen die beiden, dort im Dunkel des Hausflurs, wo die Farbe von den Wänden blätterte. Christopher erwartete, dass sie sich umdrehen und hinter einer der zahlreichen Wohnungstüren verschwinden würden, wortlos, ohne ihm zu glauben.
    Doch schließlich streckte der Mann seine Hand aus und sagte leise: »Wir brauchen mehr von dem Holz, um es in der Straße zu verteilen. Wir werden unsere Türen verschließen, wenn der Abend kommt, doch gegen Kartan und gegen die Aufständischen wird auch das stärkste Schloss auf Dauer nichts nützen. Ich weiß nicht, von was du sprichst und ob es wahr ist. Aber es macht keinen Unterschied. Es ist unsere einzige Chance.«
    Jumars eigene Worte wurden klein, und seine Sätze schienen zu schwanken. Und mit einem Mal packte ihn die Nervosität, jene herzflatternde, knieerweichende Nervosität, die einen vor Prüfungen heimzusuchen pflegt. Aber der Thronfolger Nepals hatte noch nie eine Prüfung bestehen müssen. Seine Privatlehrer waren sanfter Natur gewesen, freundlich und nachgiebig, und ein

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