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Drachen der Finsternis

Titel: Drachen der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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nähert, wird auf dieser Ebene gesehen. Gut. Wir werden ihn bis zum Abend festhalten. Was? Was? Unsichtbar? Nein, keineswegs.«
    Ein trockenes Lachen mischte sich mit dem Knacken des Funkgeräts.
    »Ja, der König. Verzeiht, aber wir alle wissen, dass der König wunderlich geworden ist, und Ihr wisst besser als jeder andere, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Es überrascht mich nicht, dass er so etwas sagt. Sicher, man weiß nie. Aber mehr als ihn festhalten können wir nicht. Ja. Morgen. Was? Wie? Verflixt.«
    Er schüttelte das Funkgerät ärgerlich, und Christopher bewegte sich auf allen vieren langsam rückwärts. Gleich darauf lag er wieder neben Jumar und starrte in die Dunkelheit, hellwach.
    Etwas war nicht in Ordnung.
    Noch fehlten ihm die richtigen Puzzlestücke, um ein Bild zu erkennen, aber dieses Bild, das spürte er, würde weder ihm noch Jumar gefallen. Für einen Moment erwog Christopher, ob es darum ging, einen fortgelaufenen Sohn wieder zu seinem Vater zurückzubringen. Doch es kam ihm vor, als ginge es um etwas ganz anderes.
    Der nepalesische Thronfolger schlief im Zelt eines Militärstützpunktes, unter den Fittichen, die die Männer seines Vaters über ihn breiteten, sicher und warm.
    Aber diese Sicherheit war eine Falle.
    Jumar hatte wieder geträumt.
    Er öffnete die Tür, jene Seitentür des Korridors im Flügel der Bediensteten, und wieder fiel ihm der schwere, keuchende Körper in die Arme. Aber als er diesmal das Gesicht des Mannes sah, war es das seines Vaters. Er streckte die Hand nach Jumar aus, strich suchend über sein Gesicht, was er im wirklichen Leben nie getan hatte – und legte sie ihm über den Mund.
    Jumar schlug die Augen auf. Da war wirklich eine Hand über seinem Mund.
    Er wollte schreien, doch die Hand verbot ihm jeden Ton.
    Es war so dunkel. Wenn er nur etwas gesehen hätte –
    »Psst«, flüsterte jemand neben ihm. »Ich bin es, Christopher. Leise, leise. Hör mir jetzt gut zu.«
    Er nahm die Hand von Jumars Mund, und Jumar atmete auf.
    »Wir müssen hier verschwinden«, wisperte Christopher, seine Worte kaum mehr als ein Hauch der Nacht neben Jumars Ohr. »Frag mich jetzt nichts. Vor dem Eingang steht einer von ihnen, aber sobald er nicht mehr da ist, machen wir uns auf den Weg.«
    Jumar drückte Christophers Hand anstelle eines Nickens. Dann setzte er sich vorsichtig auf. Sein Kopf hing noch in jenem Traum vom König verfangen, und er begriff nichts.
    Vor dem Zelteingang stand jemand und rauchte.
    Er rauchte eine Zigarette nach der anderen, der Glutpunkt der Zigarettenspitze im Schwebezustand wie ein Glühwürmchen. Ein wartendes Glühwürmchen, aufmerksam, wach.
    Bis zum Morgengrauen zählte Jumar fünfzehn Zigaretten.
    Der Mann dort draußen war nervös.
    Zu nervös, um den Zelteingang freizugeben.
    Als aber die fünfzehnte Zigarette geraucht war und das Morgengrauen kam, da fiel das Licht des neuen Tages auf eine Fläche, in der die Wacholderbüsche keine Farben hatten. Die Heide war nun grau, und das Gras wiegte sich eigenschaftslos im Wind.
    Gemein und schmutzig starrte das Land dem nepalesischen Thronfolger entgegen.
    Der Drache musste noch einmal wiedergekommen sein in der Nacht, ärgerlich, betrogen um das wundervolle, farbsprühende Leuchten. In seiner Wut hatte er alle Farben gefressen, die er hatte finden können.
    Jumar schluckte. Seine Augen schmerzten, wenn er die kahle Landschaft ansah, und er wusste, dass jener Schmerz irgendwo in seiner Seele entstand, dort unten, wo auch die Angst saß – die Angst, zu versagen und sein Land nicht vor den Drachen retten zu können. Aber er schluckte den Schmerz und die Angst hinunter und sagte sich, dass dies nichts war als ein wenig graues Gras und dass er schließlich schon viel graues Gras gesehen hatte auf seiner Reise.
    Und dann frühstückte er.
    An jenem Morgen tischte man dem nepalesischen Thronfolger ein Frühstück auf, das eines Thronfolgers würdig war, man kratzte alle Vorräte des Lagers zusammen, um Abwechslung in der Küche zu schaffen, und Jumar aß mit unsichtbaren Fingern gebutterten Toast mit Gurkenscheiben, Obstsalat und süße Teigbällchen, deren Form noch der Dose glich, in der sie geliefert worden waren. Christopher saß sichtbar und blass neben ihm und trank nur etwas von dem süßen schwarzen Milchtee, sodass Jumar Angst hatte, es würde den Soldaten auffallen.
    Er fragte sich, ob Christopher verrückt geworden war.
    Dann fragte er sich, ob er geträumt hatte, dass Christopher nachts

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