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Drachen der Finsternis

Titel: Drachen der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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kommen?«, fragte Christopher. Jumar warf ihm einen überraschten, wenngleich unsichtbaren Blick zu.
    »Wenn du willst, sicher«, sagte Niya. Ein Teil von Jumar war erleichtert darüber. Ein anderer Teil ärgerte sich. Dies war seine Aufgabe. Christopher hatte nichts dabei zu suchen.
    Begriff er denn nicht? Begriff er denn gar nichts? Es lag dem nepalesischen Thronfolger fern zu sehen, dass er es war, der nichts begriffen hatte.
    Diese Nacht war die schwärzeste, die Jumar je erlebt hatte. Die Schwärze schien in Klumpen vom Himmel zu hängen, große, unförmige Stücke von Schwärze wuchsen aus den Rändern des Weges, Fetzen von Schwärze schienen sich um ihre Füße zu winden wie Schlangen. Sie waren zu Fuß gekommen, um keinen Laut zu verursachen. In Jumars Rucksack lagen die beiden Glasflaschen mit ihrer Coca Cola -Prägung, die ihm so lächerlich erschien. Er trug ein Gewehr, so wie auch Niya. Nur Christophers Schultern waren frei von jeglichem Gewicht.
    »Wenn wir dir ein Gewehr mitgeben, jagst du dich damit nur selbst in die Luft«, hatte Niya freundlich erklärt. »Oder vielleicht schießt du mir ein Loch in den Bauch.«
    Christopher schien erleichtert darüber.
    Das große, schöne Haus war jetzt ein Teil der Nacht, ein Teil ihrer Schwärze, dicht und unheimlich. Doch der Besitzer dieses Hauses war nicht dumm: Vor seinem Eingang hockten drei bewaffnete Männer im flackernden Schein einer Öllampe, und am Stall lehnten zwei weitere, ihre wachsamen Augen unentwegt in die Nacht gerichtet.
    Aber der, der da kam, um das Haus ihres Herrn in Asche zu verwandeln, den konnte auch das wachsamste Auge nicht sehen.
    Niya drückte Jumars unsichtbare Hände, und ihre Kraft schien seinen Körper warm zu durchströmen. Er erwiderte ihren Händedruck, ließ sie los und glitt auf die Tür des Stalles zu.
    Einmal sah er sich um – Niya und Christopher waren verschwunden, als wären auch sie unsichtbar geworden. Er allein wusste, dass ihre Umrisse drüben, auf der anderen Seite der Gasse, mit einer der Hauswände verschmolzen, wartend.
    Die erste Glasflasche wog schwer in seiner Hand. Er löste den Riegel der Brettertür, schlüpfte hindurch und atmete den Geruch nach Heu und Pferden tief ein. Hätte er nur eine Lampe gehabt! Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er die Pferde losgemacht hatte. Ihr irritiertes Schnauben konnte ihn in jeder Sekunde verraten – das nervöse Scharren ihrer Hufe auf dem Boden des Stalles jagte ihm Schauer über den Rücken. Endlich, endlich löste er das letzte Seil. Er deponierte die Flasche in der hintersten Ecke des Stalles, damit die ersten Flammen nicht zwischen die Tür und die Pferde gerieten. Er war sich nicht sicher, ob es etwas nützte. Vielleicht würden sie es nicht schaffen. Vielleicht würden sie mit dem Stall verbrennen.
    Er dachte an Christopher und daran, wie er beim Todesschrei der Ziege zusammengezuckt war. Christopher hätte das hier nicht gekonnt. Christopher würde nie verstehen, was nötig war und wie viel man bisweilen bedauern musste, um etwas zu erreichen. Sie hatten eine andere Art, die Dinge zu sehen, dort, wo Christopher herkam.
    Die Flamme des Streichholzes loderte hell auf in der Dunkelheit, und er sah ihr Spiegelbild in den Augen der Pferde, die am nächsten standen. Jetzt glühte das Ende der Zündschnur.
    Jumar blies das Streichholz aus und hechtete zur Tür. Er erreichte die Gasse, blieb einen Moment stehen und lauschte –nichts. Weiter, weiter – am Haus vorbei zu der großen Vorratsscheune, die zweite Zündschnur fing Feuer, er öffnete die Fensterläden und warf die Colaflasche in die Scheune.
    Aber jetzt hatten die Männer etwas gesehen, oder vielleicht hatten sie den Aufprall der Flasche gehört –
    Einer von ihnen kam herüber.
    Jumar entfernte sich rückwärts. Sein Herz klopfte, als säße es in der Luftröhre, und er zwang sich, gleichmäßig zu atmen. Er hätte dem Mann etwas zurufen können. Ihn warnen.
    Er war unsichtbar. Ihm konnte man nichts anhaben.
    Aber Jumar rief nicht.
    Er ging weiter rückwärts – der Mann öffnete die Tür der Scheune –
    Und dann zerriss die erste Explosion die Luft. Kurz darauf folgte die zweite – er sah das Licht vor sich, groß und hell, er sah, wie der Mann zurückgeworfen wurde, sah die Flammen aus dem Gebäude schlagen und spürte hinter sich eine kühle Hauswand, gegen die er sich lehnte. Die Nacht hatte sich in Chaos verwandelt.
    Er hörte die Pferde wiehern, schrill und panisch. Er hörte das Prasseln des

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