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Drachen der Finsternis

Titel: Drachen der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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Gesicht und ein weißes Hemd, das über dem Hüfttuch eine hübsche Bauchfalte schlug. Über dem weißen Hemd aber trug er eine jener Westen, die Jumar von den Polizisten in Kath-mandu kannte: Dieser Mann rechnete mit Kugeln aus schwarzen Läufen, mit Hass und Tod. Er wusste, wer Unterschlupf in seinem Haus suchte, und er war nicht dumm.
    Immer noch lächelnd stützte er sich auf das verzierte Holzgeländer des Balkons und sah zu Niya und ihren Leuten hinab.
    »Es ist wohl besser, ihr verschwindet von hier«, erklärte er. »Was für ein elendes Grüppchen, mager und dreckig! Die Kämpfer hatten schon bessere Zeiten. Gegen meine Männer habt ihr keine Chance. Auch wenn ich weiß, dass noch andere von euch irgendwo lauern – hier seid ihr an der falschen Adresse. Ihr steht auf meinem Grund und Boden. Verlasst dieses Dorf, ehe ich ärgerlich werde. Ich werde schnell ärgerlich, und ich habe einen guten Freund beim Militär. Den besten Freund, den man sich denken kann.«
    »Kartan«, sagte Niya. Ihre Stimme war mit einem Mal seltsam flach.
    »Ich habe viel für ihn getan, damals, weit von hier«, erwiderte der Mann. Dann lehnte er sich plötzlich vor und musterte Niya.
    »Wir kennen uns«, sagte er nach einer Weile. »Habe ich recht?«
    »Damals trugt Ihr eine Uniform«, antwortete Niya, »und hattet keinen Bauch. Damals hatte ich noch Angst vor Euch. Das Feuer, das Ihr gelegt habt, hat sie mir genommen. Meine Angst ist verbrannt.«
    Der Mann lachte. »Deine Worte sind schön«, entgegnete er. »Schön wie deine Mutter es war. Ich erinnere mich noch genau. Sie war eine der schönsten Frauen, die ich hatte. Auch du bist schön. Ich dachte nicht, dass du lebst. Vielleicht besuchst du mich an einem dieser Tage alleine ... dann können wir uns unterhalten.«
    Er ließ seinen Blick mit offensichtlichem Gefallen an dem Körper unter der grünen Jacke entlanggleiten, und Jumar dachte, Niya würde ihr Gewehr anlegen und einen Schuss abfeuern auf das feiste Gesicht über der kugelsicheren Weste. Er dachte, sie müsste explodieren wie ein Feuerwerkskörper, ein unkontrollierbarer Sprengsatz, ein Kreisel aus roter Wut.
    Doch sie drehte sich schweigend um und gab den anderen ein Zeichen, ihr zu folgen.
    Als sie zu den Übrigen zurückkamen, sagte sie nichts. Es war, als wären die Worte in ihrer Kehle vertrocknet.
    »Niya –«, begann Jumar. Sie schüttelte den Kopf und führte ihre Leute in einem Bogen um das Dorf herum, bis sie es nicht mehr sehen konnten. Dann bedeutete sie ihnen, anzuhalten und ihr Lager aufzuschlagen.
    »Reiten wir nicht weiter?«, fragte eine der Frauen. »Bis zum nächsten Dorf? Sollten wir nicht irgendwo einen ebenen Platz finden, um die Zelte aufzuschlagen? Und Wasser – Wasser für die Tiere?«
    Erst da sprach Niya wieder. »Diese Nacht müsst ihr im Wind ausharren«, antwortete sie. »Und der Tau auf den Gräsern muss für die Tiere reichen. Ich habe etwas zu erledigen hier.«
    Niemand wagte, ihr zu widersprechen.
    Als die Wolken vorüberzogen und die Sternzeichen ihre Wanderung über den Horizont begannen, nahm Niya Christopher und Jumar beiseite.
    »Heute Nacht«, sagte sie, »müsst ihr mir helfen. Oder nein: Jumar, du bist es, der mir helfen muss. Heute Nacht brauche ich einen Unsichtbaren.«
    »Ich bin bereit«, antwortete Jumar. Ach, da war sie wieder, die Pathetik! Er hätte noch so viel mehr gesagt, er hätte ihr alles geschworen, was sie wollte, doch sie legte ihren Finger an die Lippen und brachte ihn zum Schweigen.
    »Heute Nacht«, wisperte sie, »werden die Ställe eines reichen Mannes brennen. Seine Vorräte werden sich in weiße Asche verwandeln. Seine Pferde werden die Freiheit riechen. Und die schönen Schnitzereien seines Hauses werden sich in glühende Kohlen verwandeln. Und du wirst es sein, der das Feuer legt.«
    Jumar nickte, obgleich sie das nicht sehen konnte. Er nickte für sich. Ja, er würde das Feuer legen. Er würde es sein, der für sie Rache übte.
    Sie griff in eine Kiste und reichte ihm zwei kleine, gläserne Colaflaschen, und erst verstand er nicht. Dann sah er die Zündschnüre und begriff, dass die Flaschen als Sprengsätze dienten.
    »Mach die Pferde los, ehe du die erste zündest«, wisperte sie. »Vergiss das nicht! Und öffne die Tür der Stallungen. Die zweite Flasche wirfst du durch das Fenster der Scheune. Sie grenzt direkt an das Haus, und die Flammen werden ihre wahre Freude daran haben hinüberzukriechen. Ich werde dich begleiten.«
    »Kann ich mit euch

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