Drachen der Finsternis
zählte ... und endlich war der erste Korb leer, und Christopher duckte sich gehorsam hinein, die Arme um die angezogenen Knie geschlungen, das Gewehr neben sich. Er hatte es nicht mitnehmen wollen, aber Niya hatte keinen Widerspruch geduldet. Sie schlossen den Deckel des Korbes über ihm, als sich draußen Schritte näherten.
Er hörte Niya leise fluchen, hörte etwas rascheln – dann wurde es still um ihn. Jumar und sie hatten sich irgendwo versteckt. Das einzige Geräusch, das es jetzt gab, waren die Schritte. Und sie füllten die Nacht mit Christophers Panik. Wenn jetzt jemand hereinkäme, würde er die Seile und Riemen auf dem Boden verteilt finden, die vorher den Korb verschnürt hatten. Die Schritte waren jetzt direkt vor der Tür des Raumes. Christopher saß in der Falle.
Dann öffnete sich die Tür. Sie quietschte dabei leise, ganz leise, und dann querten die Schritte den Raum. Auch die Schritte, das merkte er jetzt, waren leise – selbst wenn sie ihm lauter vorkamen als jedes andere Geräusch auf der Welt, so schlichen sie doch – heimlich und verstohlen. Die Schritte blieben vor dem Korb stehen, jemand bückte sich und murmelte etwas. Er hatte die lose herumliegenden Riemen gesehen.
Christophers Atem raste.
Jetzt war es vorbei mit ihrer Flucht.
Er dachte an die drei Männer, die ebenfalls fortgelaufen waren und die man zurückgebracht hatte. Was hatten sie mit ihnen angestellt? Er wollte es sich nicht vorstellen. Er schloss die Augen in seinem Versteck wie ein Kind, das glaubt, man könnte es so nicht sehen.
Die Schritte verharrten eine Ewigkeit vor dem Korb, ehe der Deckel geöffnet wurde.
Aber schließlich wurde der Deckel doch nicht geöffnet. Die Schritte gingen ein Stück weiter, jemand schien etwas aufzuheben, und dann – dann schlichen sie durch den Raum davon. Wieder quietschte die Tür leise, ganz leise – und die Schritte entfernten sich draußen in der Gasse. Christopher merkte erst jetzt, dass er die Hände ineinandergekrallt hatte, und als er sie vorsichtig löste, spürte er in seinen Handflächen das Blut, das seine eigenen Fingernägel hervorgetrieben hatten.
Kurze Zeit später hörte Christopher Niya und Jumar wispern.
»Ein Dieb«, wisperte Jumar. »Es war jemand, der Vorräte gestohlen hat. Er wird sich gefreut haben, dass die Tür offen stand! Los, rasch ...«
Dann wanden Niya und Jumar die Gurte und Seile wieder um den Korb, in dem Christopher versuchte, Herr über das Zittern in seinem Körper zu werden. Er hörte im Dunkeln, dass es auch in einem anderen Korb jetzt raschelte wie von menschlicher Fracht, und wusste, dass Jumar jenen zweiten Korb alleine verschnürte.
Dann näherten sich andere Schritte, Schritte von mehreren Männern, und er bemühte sich, lautlos ein- und auszuatmen. Wenn er nur nicht husten musste!
Er fühlte, wie er angehoben wurde, hörte die Männer über das Gewicht der Körbe fluchen – und die Welt um ihn begann, langsam hin und her zu schaukeln wie die Wiege eines Kindes.
Nach einer Weile packte ihn die Erschöpfung und rieb ihm gewaltsam den Schlaf in die Augen, und die Träger des großen T ahnten nicht, welch ungewöhnliche, träumende Fracht sie in dieser Nacht aus der geschmolzenen Stadt den Berg hinauftrugen.
Sie kamen nur langsam voran, denn einer der Ausländer konnte sich kaum auf den Beinen halten, und hätte der mit dem hellen Haar – der, der immer lächelte – ihn nicht gestützt, so hätten sie nie ihr Ziel erreicht.
Am Nadelöhr legten die Wachen die Hände grüßend zusammen. Die Träger und die Kämpfer, die die Gefangenen führten, erwiderten den Gruß. In der Luft war der Geruch von altem Blut und dem Exkrement der Geier, und so machten sie, dass sie rasch weiterkamen.
Später, gegen Morgen, geschah etwas Seltsames auf dem Weg der kleinen Gruppe.
Sie hatten eine kurze Rast eingelegt und die Lasten abgesetzt, um über einem kleinen Feuer Tee zu kochen. Der Fremde, der sich so mühsam voranschleppte, hatte sich auch in ihr Herz geschleppt. Sicher konnte eine Tasse heißen Tees ihm nicht schaden. Sie bereiteten ihn nach Art der Tibeter, denen man von hier aus beinahe winken konnte: stark und mit einem Stück Butter und einem Klumpen Salz, sodass er einem alle Kraft wiedergab, die einem die steilen Pfade in der Höhe nahmen. Ein wenig lachten sie über die Gesichter der drei Fremden, die diese Art Tee nicht kannten.
Und sie lachten noch – da geschah das Seltsame, was sie sich nicht erklären konnten: Zwei der Körbe
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