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Drachenauge

Drachenauge

Titel: Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCaffrey
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faden Gesicht als Blickfang dienten. Mittlerweile hatte er oft genug gehört, wie sie auf ihre eingebildete Ähnlichkeit mit ihrer Tochter Luccha pochte, sodass er diesen Aspekt betonte und ihr einen nicht vorhandenen jugendlichen Schmelz verlieh.
    Als sie an ihrem Kleid einen neuen Kragen wünschte, improvisierte er einen, den er auf einem Ahnenporträt 159
     
    gesehen hatte – ein Spitzengeriesel, das nicht viel von dem faltigen Hals sehen ließ. Nicht, dass er die runzlige Haut gemalt hätte, doch die Spitze schmeichelte dem Gesamteindruck.
    Mit Chalkin hatte er weniger Glück. Der Mann war
    von seinem Naturell her unfähig stillzuhalten. Unentwegt trommelte er mit den Fingern, wippte mit den
    Füßen, verdrehte die Schultern oder verzog das Gesicht. Es war schier unmöglich, ihn in Positur zu setzen.
    Iantine brannte darauf, das Bild zu vollenden und
    den schrecklichen Ort zu verlassen, ehe ein neuer
    Schneesturm ihn festhielt. Der junge Porträtist fragte sich, ob Chalkins Verzögerungstaktik und die kurzen Zeitspannen, in denen er sich bereiterklärte, Modell zu sitzen, ein weiterer Trick waren, um ihn festzunageln – um das ursprüngliche Honorar noch mehr zu schmä-
    lern. Obwohl Chalkin ihn mehrfach dazu aufgefordert hatte, sich in den Spielzimmern aufzuhalten – die Räu-me, in denen dem Glücksspiel gehuldigt wurde, waren die am besten beheizten in der gesamten Festung –, nahm Iantine keine einzige dieser Einladungen an.
    »Sitzen Sie endlich still, Lord Chalkin. Ich arbeite gerade an den Augen und kann sie nicht malen, wenn Sie unentwegt blinzeln«, verlangte Iantine in einem so
    scharfen Ton, wie der Burgherr ihn noch nie von dem Künstler gehört hatte.
    »Ich bitte um Entschuldigung«, näselte Chalkin und
    ließ nervös die Schultern kreisen.
    »Lord Chalkin, wenn Sie nicht wollen, dass ich Sie
    mit einem Silberblick male, dann halten Sie für fünf Minuten still, ich flehe Sie an!«
    Etwas von Iantines Frustration musste zu Chalkin
    durchgedrungen sein, denn zu guter Letzt hielt er still und funkelte den Porträtisten nur wütend an. Und das länger als fünf Minuten.
    Indem Iantine sich sputete, beendete er die schwierige Arbeit an den Augen. Er hatte sie weiter auseinander 160
     
    gestellt und die Tränensäcke ausgelassen. Subtil verfei-nerte er die aufgeschwemmten, einem Schweinskopf
    ähnlichen Züge und dünnte die Knollennase so weit
    aus, dass sie ein nahezu römisches Profil bekam. Dann begradigte und verbreiterte er die Schultern auf die Maße eines Athleten und dunkelte das Haar nach.
    Außerdem fing er das Blitzen und Funkeln der vielen juwelenbesetzten Fingerringe ein. Der Schmuck beherrschte nachgerade das Bild, was Lord Chalkin gefallen musste, der mehr Ringe zu besitzen schien als das Jahr Tage hatte.
    »Das war's!«, stellte er fest, legte den Pinsel hin und rückte ein Stück von dem Porträt ab. Er beglückwünschte sich selbst, weil er fand, er habe sein Bestmögliches gegeben, will heißen, er hatte alles darangesetzt, um das Urteil ›zufrieden stellend‹ zu verdienen und konnte diesem ge-spenstischen Gemäuer endlich den Rücken kehren.
    »Das wurde aber auch langsam Zeit«, motzte Chalkin, rutschte von seinem Sessel und stapfte herüber, um das Ergebnis in Augenschein zu nehmen.
    Verstohlen beobachtete Iantine Chalkins Gesicht. Er sah den freudigen Ausdruck aufblitzen, ehe der Burgherr wieder seine übliche miesepetrige Miene aufsetzte.
    Chalkin peilte genauer hin, als wolle er die Pinselstriche zählen, obwohl man keine sah, dafür beherrschte Iantine sein Metier zu perfekt.
    »Nicht die Farbe berühren! Sie ist noch nicht trocken!«, warnte Iantine hastig und fuhr mit einem Arm dazwischen, um Chalkin zurückzuscheuchen.
    »Hmpf«, grunzte Chalkin und verrenkte die Schultern, um sein schweres Wams zurechtzurücken. Er heuchelte Gleichgültigkeit, doch Iantine merkte ihm an, dass er mit seinem Abbild mehr als glücklich war.
    »Nun? Ist es zufrieden stellend?«, fragte Iantine, der die Spannung nicht länger aushielt.
    »Nicht schlecht, nicht schlecht, aber …« Und wieder streckte Chalkin einen vorwitzigen Finger aus.
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    »Dass Sie mir ja nicht die Farbe verschmieren, Lord Chalkin!«, rief Iantine, der eine weitere Verzögerung fürchtete, falls er den Schaden ausbessern musste.
    »Sie sind ein ungehobelter Klotz, Maler!«
    »Mein Titel lautet Künstler , Lord Chalkin. Und verraten Sie mir bitte, ob Sie das Porträt zufrieden stellend finden oder

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