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Drachenauge

Drachenauge

Titel: Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCaffrey
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gleich mitgebracht? Wenn der Burgherr spitzkriegt, dass Se Sachen aus der Küche mitgenommen ham, verlangt er
    das Geld von uns. Aber bei mir is da nix zu holen, nee, bei mir nicht!« Abermals zog er die Nase hoch und lupfte zur Betonung eine Schulter, über die sich das ange-schmuddelte weiße Hemd spannte.
    »Ich hatte mich mit dem Material ausgerüstet, das ich für die Arbeit brauchte, zu der ich vertraglich verpflichtet war«, stellte Iantine richtig und verdrängte den un-bändigen Wunsch, die Fresse des Kerls in die dünne Suppe zu stoßen, in der er phlegmatisch herumrührte.
    »Was Se nicht sagen!«
    Wütend war Iantine aus der Küche gestakst. Er versuchte sich einzureden, dass er auf diese – wenn auch unerquickliche – Weise lernte, selbst mit den schwierigsten Klienten umzugehen.
    Das Rohmaterial für die Pigmente zu finden, entpuppte sich als höchst kompliziertes Unterfangen, denn immerhin stand hier in den Bergen von Bitra der Winter kurz bevor. Er entdeckte einen länglichen Stein mit ab-gerundetem Ende, der einen guten Stößel abgab, und ein ausgehöhlter Stein musste als Mörser dienen.
    Eine Hügelflanke war von oben bis unten mit Sabsab—
    Busch bewachsen, dessen Wurzeln eine gelbe Farbe abgaben. Für das Blau klaubte er sich genügend Kobalt zusammen, und aus den Blättern des Pawberry-Strauchs ließ sich ein wunderbar klares Rot gewinnen, ohne eine Schattierung von Orange oder Purpur.
    Ein glücklicher Zufall wollte es, dass er auf Ocker stieß. Anstatt sich Behältnisse gegen ein Entgelt ›auszu-borgen‹, benutzte er zerborstenes Geschirr, das er aus dem Abfallhaufen klaubte. Allerdings berechnete ihm 155
     
    der Koch für den minderwertigen Tran, den er ihm ab-trat, den Preis für das beste Öl. Dabei war Iantine sich sicher, dass Lord Chalkin nichts von dem Geld sehen würde, der Koch also nur in die eigene Tasche wirtschaftete. Zum Aufbewahren der Farben suchte er sich Schalen und Töpfe zusammen – in Burg Bitra verwen-dete man nur die allerbilligste Ware. Kurz bevor er mit den Restaurierungsarbeiten fertig war, erholte sich Chaldon ausreichend von seiner Krankheit, um wieder Modell sitzen, beziehungsweise stehen zu können.
    Bedingt durch das Fieber und den quälenden Ausschlag hatte Chaldon an Gewicht verloren. Außerdem
    wirkte er lethargisch, und solange Iantine witzige
    Anekdoten einfielen, die er während der Sitzungen von sich gab, hielt der Junge einigermaßen still. Sich innerlich für seinen Opportunismus verwünschend, malte
    Iantine den Knaben so, dass er dem am besten aussehenden seiner Ahnen glich. Chaldon war offenkundig
    entzückt und rannte zu seiner Mutter, die er anschnauzte, er sähe ganz so aus, wie sein Urgroßpapa, was er immer schon gesagt hätte.
    Bei Lucchas Porträt ließ sich dieser Trick nicht anwenden. Durch die Krankheit war ihr Teint noch fahler geworden, sie hatte Haarausfall und beträchtliches Unter-gewicht, sodass sich ihr Aussehen nicht vorteilhaft verändern ließ. Anfangs wollte er sich ihre Urgroßmutter zum Vorbild nehmen, doch die Gesichtsform passte nicht, und selbst er musste zugeben, dass das Porträt missglückt war.
    »Es liegt an ihrer Krankheit«, murmelte er, als Chalkin und Nadona ihm aufzählten, was an dem Konterfei alles nicht stimmte.
    Mit Lonada und Briskin hatte er es leichter. Briskin hatte etliche Kilo abgespeckt, und mit seiner verkniffe-nen Miene, den eingefallenen Wangen und den Segel—
    ohren ähnelte er nun in der Tat seinem Großonkel. Klugerweise hatte Iantine die Ohrmuscheln verkleinert, 156
     
    und er wunderte sich, wie der Künstler es damals geschafft hatte, seinem Modell ungestraft diese Riesenlau-scher zu verpassen.
    Zum Schluss malte er Luccha noch einmal. Mittlerweile hatte sie ein wenig zugenommen, und ihr Teint wirkte frischer, was für ihr Aussehen wahre Wunder
    bewirkte. Zu schade, dass man die Manipulationen, die man auf der Leinwand zuwege brachte, nicht auch mit dem lebenden Modell anstellen konnte. Vage erinnerte er sich, dass die ersten Kolonisten imstande gewesen waren, Gesichter durch plastische Chirurgie zu verschönern. Widerstrebend, und nachdem Iantine die mittlerweile reichlich großen Miniaturen so oft abändern musste, dass er etwas gegen die Wand hätte
    schmettern können – vorzugsweise den Burgherrn und
    seine Gemahlin –, befand man die vier Gemälde als zufrieden stellend. Die abschließende kritische Besprechung hatte bis tief in die Nacht hinein gedauert, die schauerlich finster

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