Drachenauge
hat aber das wenige mit mir geteilt.«
»Gegen gute Bezahlung, natürlich …«
Iantine dachte einen Moment lang darüber nach. »Ich kann von Glück sagen, dass ich während des Blizzards 168
überhaupt eine Zuflucht fand. Und der Mann gab mir
zu essen …« Er zuckte die Achseln und seufzte abermals. »Er brachte mich auf den Gedanken, ein Zeichen in den Schnee zu trampeln, um einen Drachenreiter auf mich aufmerksam zu machen. Zum Glück kam P'tero vorbei.« Dankbar nickte er P'tero zu.
»Keine Ursache«, winkte der blaue Reiter lässig ab.
»Ich bin froh, dass ich helfen konnte.« Er beugte sich zu Tisha vor. »Einen Tag später, und er wäre steif gefroren gewesen wie ein Eiszapfen.«
»Haben Sie lange gewartet?«
»Nachdem sich der Schneesturm gelegt hatte, hielt
ich mich zwei Tage lang draußen auf. Die Nächte verbrachte ich in der Behausung des alten Fendler. Wenn man hungrig genug ist, schmecken einem selbst Tun-nelschlangen«, fügte Iantine hinzu. Es war eine geraume Weile her, seit er die letzte anständige Mahlzeit zu sich genommen hatte.
»Ach, mein armer Junge«, meinte Tisha und rief nach einer doppelten Portion Eintopf, Brot, Süßigkeiten und Obst, das man von Ista heraufgeschickt hatte.
Nachdem Iantine sich satt gegessen hatte, kam es ihm vor, als hätte er sich für die vergangenen vier kargen Tage schadlos gehalten. Seine Füße und Hände juckten trotz des Taubkrauts und der Heilsalbe. Als er aufstand, um zum Abort zu gehen, schwankte er und musste sich an der Stuhllehne festhalten.
»Geben Sie Obacht, junger Mann!«, warnte Tisha.
»Sie waren nicht nur schwach vor Hunger!« Flinker, als man bei ihrer Leibesfülle vermuten sollte, eilte sie an Iantines Seite und gab P'tero einen Wink, er möge ihr zur Hand gehen.
»Ich musste mal …«, sagte Iantine.
»Die Toilette befindet sich in dem Korridor, der zu den Schlafhöhlen führt«, erklärte Tisha und legte sich einen von Iantines Armen über die Schulter. Sie war genauso groß wie er.
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P'tero schnappte sich das Gepäck, und gemeinsam
bugsierten sie Iantine zum Abort. Hinterher zeigten sie ihm seine Schlafstätte. Tisha sah sich noch einmal seine Füße an, bestrich sie mit Salbe und verließ auf Zehen-spitzen die winzige Kaverne. Iantine überzeugte sich lediglich davon, dass seine Gepäckstücke – darin befand sich sein Honorar – in dem Raum standen, dann sank er in einen tiefen Schlaf.
Während er schlummerte, schickte man Botschaften
aus – zum Institut Domaize sowie nach Benden, weil
Iantine nominell dorthin gehörte. Obwohl Iantine keinen bleibenden gesundheitlichen Schaden davongetragen hatte, war die Art und Weise, in der man ihn auf Bitra behandelt hatte, für M'shall ein weiterer Beweis für Chalkins Heimtücke. Irene hatte ihm bereits eine lange Liste mit Chalkins Missetaten zur Verfügung gestellt. Normalerweise verging sich der Burgherr an Menschen, die sich nicht gegen ihn zu wehren vermochten. Er hielt keine Sprechtage ab, an denen Beschwerden vorgetragen werden konnten und hütete sich, unparteiische Schlichter einzusetzen, die dem Recht Geltung verschafften.
Die bedeutenderen Händler, die im Allgemeinen aus—
gewogen berichteten, mieden Bitra. Dafür wussten sie jede Menge Beispiele, wie Chalkin ständig versuchte, andere Leute zu übervorteilen, seit er fünfzehn Jahre zuvor seinen Posten als Burgherr angetreten hatte. Einige wenige Kaufleute, die mutig nach Bitra vorstießen, machten ihre eigenen Erfahrungen und kehrten nur in Ausnahmefällen wieder in diese Festung zurück.
Nach der Versammlung, auf der man beschlossen
hatte, Chalkin auf die Finger zu klopfen, ließ M'shall seine Patrouillenreiter in jeden Winkel von Lord Chalkins Hoheitsbereich fliegen. Selbst auf den abgelegensten Höfen sollten sie sich erkundigen, ob der Herr von Bitra die Warnung über den bevorstehenden Fädeneinfall weitergegeben hatte.
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Wie es sich herausstellte, waren die Menschen völlig ahnungslos. Anstatt sie von der unmittelbar bevorstehenden Gefahr in Kenntnis zu setzen, hatte Chalkin die Tributzahlungen für jeden Haushalt erhöht. Die Art und Weise, wie er die Abgaben eintrieb, ließ den Schluss zu, dass er Vorräte für sich selbst horten wollte, und nicht zum Wohle seiner Leute. Die Menschen, die in abgeschiedenen Siedlungen lebten, würden sich kaum in der Lage sehen, selbst die notwendigsten
Grundnahrungsmittel zu erwerben. Dieser Umstand
verkörperte einen eklatanten Missbrauch seiner
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