Drachenauge
nicht mehr hier.«
Meister Jol winkte ab. »Ich unterhalte Magazine in
Burg Telgar und kann in ein, zwei Tagen hierher befördern lassen, was immer Ihr Herz begehrt.« Er bedachte Iantine mit einem versonnenen Blick. »Obwohl ich
nicht glaube, dass Sie den Weyr so rasch verlassen werden.« Mit einer Hand griff er nach dem Stift hinter seinem Ohr, die andere zog einen Notizblock aus dem
Beutel an seinem Gürtel. »Mit welchen Artikeln kann ich Ihnen dienen, Künstler Iantine?«
»Äh …«
»Er möchte Skizzen von jedem Reiter und jedem Drachen des Weyrs anfertigen«, beschied ihm Leopol, der unbemerkt näher herangepirscht war, um das Gespräch zu belauschen.
»Dann haben sie also jede Menge Aufträge?«, vergewisserte sich Meister Jol interessiert, derweil sein Stift über dem Block schwebte.
»Nun ja, nicht direkt …«, stotterte Iantine.
»Ich weiß von drei Aufträgen«, schaltete sich Leopol ein. »Sie malen P'tero für M'leng und dann noch die beiden Weyrführer …«
Am liebsten hätte Iantine Leopols Nase abgebissen. »Die Weyrführer sind etwas ganz anderes. Ich male die beiden in Öl, und mit den Skizzen möchte ich mich bei den Weyrleuten bedanken, die so freundlich zu mir waren.«
»Einen gesamten Weyr zu porträtieren ist eine gewaltige Aufgabe«, meinte Meister Jol und kritzelte etwas auf seinen Notizblock. »Sie werden stapelweise Papier und viele Zeichenstifte brauchen. Oder bevorzugen Sie Tusche? Ich habe welche auf Vorrat, erste Qualität.
Tropft nicht und bleicht garantiert nicht aus.« Erwartungsvoll blickte er Iantine an.
»Aber ich besitze doch nichts außer dieser Montage, die ich gegen etwas anderes eintauschen kann«, entgegnete Iantine.
229
»Junger Mann, das Handelshaus Liliencamp gewährt
Ihnen Kredit«, antwortete Jol gemächlich; mit seinem Schreibstift stieß er sachte gegen Iantines Schulter. »Ich bin nicht Chalkin. Auf gar keinen Fall möchte ich mit ihm verglichen werden.« Dann prustete er los, und unwillkürlich musste Iantine schmunzeln.
»Und nun geben Sie mir bitte eine Aufstellung der
Dinge, die Sie brauchen. Aber wenn es Sie ein wenig beruhigt, dann füllen Sie dieses Bild«, er tippte auf die Montage, »mit Wasserfarben aus, und ich zahle Ihnen zwei Marken dafür. Ach ja, und die Skizze, die T'dam im Kreise seiner Schüler zeigt, hätte ich auch gern«, füg-te er hinzu, das entsprechende Blatt im Skizzenblock aufschlagend. »Anhand dieser Zeichnung kann man manchen Leuten gut erklären, dass die Drachenreiter weit mehr leisten, als lediglich am Firmament ihre Kreise zu ziehen. Dafür gebe ich Ihnen anderthalb Marken.«
»Aber … aber …« stammelte Iantine, derweil er versuchte, seine Gedanken sowie seine Wünsche zu ord-nen. Debera lächelte zufrieden, und auch ihr Drache schien guter Dinge zu sein. »Ich habe keine Wasserfarben bei mir …«, begann er. »Wie soll ich da die Montage kolorieren?«
»Ach, zufällig befinden sich Aquarellfarben in meinem Wagen«, erklärte Jol und strahlte über das ganze Gesicht. »Deshalb kam ich ja auf den Gedanken, die
Montage bunt zu malen. Ich muss schon sagen, dass ich mir von unserer Bekanntschaft viel verspreche«, fügte er hinzu, sich an Debera wendend. »Ich werde die far-big ausgemalte Montage unter Glas setzen und in meinen Bürowagen hängen. Quasi als Aushängeschild oder Reklame, wie unsere Vorfahren gesagt hätten.«
»Meister Jol?«, rief jemand von den Händlerwagen
her. »Haben Sie einen Moment Zeit?«
»Bin gleich wieder zurück, Künstler Iantine«, entschuldigte sich Jol. »Bleiben Sie bitte hier. Du auch, Debera, unser Gespräch ist noch nicht beendet.«
230
Während Iantine und Debera erstaunte Blicke tauschten, trottete Meister Jol davon, um nachzusehen, was man von ihm wollte. Im Laufen schob er den Schreibstift wieder hinter die Ohrmuschel und klappte sein Notizbuch zusammen.
»Ich kann das immer noch nicht fassen«, murmelte
Iantine und schüttelte den Kopf. Er fühlte sich schwach und außer Atem.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Debera besorgt.
»Ich bin wie vom Donner gerührt«, erklärte Iantine, sich an einen Lieblingsausdruck seines Vaters erin-nernd.
Debera grinste verstehend. »Mir geht es genauso. Nie hätte ich damit gerechnet …«
»Und ich erst recht nicht.«
»Was habt ihr eigentlich? Traut ihr aus Prinzip keinem Händler?«, fragte Leopol ein bisschen pikiert.
Iantine lachte leise. »Selbstverständlich gibt es ehrliche Kaufleute. Aber solche
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