Drachenblut 01 - Die Väter
sich gegen ihn auflehnen wollten. Keiner
wäre in diesem Moment so dumm gewesen, auch nur an ein Wort der Rebellion zu
denken. Viel zu sicher schien es, dass man diesen Frevel augenblicklich mit
seinem Leben zu bezahlen hätte.
»Was
ist?«, schrie Edward provozierend, »wer möchte sich noch darüber beklagen, dass
ich ihm ein schlechter Graf sein könnte - wer?«
Das
Schweigen schien dem jungen Grafen genug der Antwort zu sein. Mit langen
Schritten eilte er nun zum schweren Stuhl, der schon seinem Vater als eine Art
Thron gedient hatte. Munter ließ er sich darauf fallen und bat mit freundlicher
Geste Ritter Veit an seine Seite, der zufrieden grinsend neben ihm Platz nahm.
Der Beginn einer Freundschaft war besiegelt, die sich durch Erbarmungslosigkeit
und Gewalt ausdrücken würde.
Dass
sich mit Edward nichts zum Guten wenden sollte, daran bestand bereits nach
wenigen Tagen kein Zweifel mehr. Ausgesetzte Hinrichtungen wurden
schnellstmöglich durchgeführt und schon jetzt drohten die Kerker erneut zu
platzen. Selbst kleine Jungen, die dem Grafen von einer erbosten Wache
vorgeführt wurden, bestrafte dieser augenblicklich mit dem Tode. Eine
verzweifelte Mutter, die Edward auf Knien um Gnade für ihr Kind anflehte,
teilte ebenso das Schicksal ihres Sohnes.
Als
Ritter Veit an diesem Tage vor seinen Herren trat, wirkte dieser nervös und
aufgekratzt: »Hast du etwas von Siegfried gehört?«, erkundigte er sich in
zögerlichem Ton, »er müsste doch längst schon die vermeintlich sichere Burg
erreicht haben, um sich feiern zu lassen.«
»Nein
Herr! Selbst meine Kundschafter wurden seiner nirgends gewahr. Vermutlich hat
der Drache ihn so schwer verletzt, dass er auch sein eigenes Leben an Ort und
Stelle ließ.«
»Das
glaube ich kaum. Wer hätte denn davon berichten sollen, dass dieses Ungetüm,
welches auch meinen Vater am Ende von innen auffraß, seinen letzten Atemzug
getan hat?«
»Seid
sicher Herr, wenn er kommt, dann handle ich wie Ihr mich hießet.«
»Ich
will ihn nicht einmal mehr sehen. Unterrichte mich, wenn er tot ist und dann
verscharrt seinen Leichnam vor den Toren der Burg.« Edward lächelte böse. »Es
wird nicht lange dauern, bis sich nicht einmal mehr ein närrisches Kind seiner
erinnert.«
»Graf
Mordal, mein Herr«, es war ein Hauptmann der Torwache, der aufgeregt in den
Burgsaal stürmte. »Ein paar Männer haben sich vor der Tür versammelt und
bestehen darauf vorgelassen zu werden. Sogar ihre Weiber und Kinder haben sie
mitgebracht.«
»Was
will dieses nutzlose Pack? Sprich geschwind, Hauptmann - mir ist heute nicht
nach Problemen zumute.«
»Ich
weiß es nicht Herr. Aber sie scheinen aufgebracht zu sein, und ...«
»Schweigt
Hauptmann! Veit - ruf deine Männer zusammen und postiert Euch im Saal. Wenn die
Meute aufbegehrt, dann weißt du, was zu tun ist.«
»Sicher
Herr.« Veit tat wie befohlen und schon kurze Zeit später hatten sich gute zwei
Dutzend Ritter verteilt, die mit entschlossenen Gesichtern der Dinge harrten.
Als
dann ein ganzer Haufen Männer, gefolgt von Kindern und Weibern durch die breite
Tür in den Saal drang, entstand eine drückende Atmosphäre. Keiner der Männer,
die eben noch große Reden schwangen, traute sich zu beginnen. Also war es
Edward selbst, der sich nun höhnisch an den offensichtlichen Rädelsführer wand:
»Was wollt Ihr? Haben Euch die letzten Tage nicht schon genug Aufschluss
darüber gegeben, wer das Sagen auf dieser Burg hat?«
»Herr«,
begann der eingeschüchterte Mann in leisem Ton, »Ihr tötet unsere Söhne völlig
ohne Grund, Ihr foltert Kinder, bis sie endlich ihre Missetaten gestehen,
selbst wenn sie unschuldig sind ...«
»Schweig,
du Narr!« Edward erhob sich und trottete lustlos auf den Mann zu. »Was also ist
dein Begehren?«, flüsterte er in bedrohlichem Ton, nur ein paar Zentimeter vom
Gesicht des Mannes entfernt.
»Herr
... Ihr lasst Schuldlose hinrichten. Frauen sterben am Kreuz, nur weil sie Euch
nicht freundlich genug gegrüßt haben - so geht es nicht weiter ...« Dem
mutlosen Mann versagte sie Stimme.
»Und
wie geht es dann weiter? Möchtest du das Schicksal dieser Burg verantworten?
Willst du als Graf über Wohl oder Unwohl der Bürger entscheiden?« Edward machte
eine kurze Pause, um seinem Gegenüber Zeit zum Überlegen zu geben. »Was ist es,
was du willst?«, schrie er nun aus voller Lunge, »sprich jetzt - oder schweig
für immer!«
Anstelle
einer Antwort sackte der Gefragte nun noch weiter in sich zusammen.
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