Drachenblut 01 - Die Väter
Auch sie brauchten, am Tag nach einem solchen Ritt, besondere
Pflege. Als er die Tiere erreichte, fand er dort einen Jungen vor, der sich
bereits um die erschöpften Rösser kümmerte. Liebevoll putzte er ihr Fell mit
einer groben Bürste, kämmte ihre Mähnen und reinigte ihre versehrten Glieder.
»Ihr
müsst die vorderen Hufe häufiger beschneiden. Wenn Ihr wollt, dann werde ich es
gerne für Euch tun«, begann der Junge zaghaft, als den mächtigen Ritter
erkannte.
»Woher
kennst du dich so gut mit Pferden aus?«, wollte Siegfried wissen.
»Meine
Eltern hatten ein Gestüt, unweit von hier.«
»Was
ist aus deinen Eltern geworden?«
»Sie
sind tot.«
Da der
Junge anscheinend nicht näher darauf eingehen wollte, beließ es Siegfried dabei
und verzichtete auf weitere Fragen. »Er läuft schon seit Tagen nicht mehr ganz
gerade. Irgendetwas stimmt nicht mit dem rechten Vorderlauf«, begann er erneut,
auch um das Thema zu wechseln.
»Ich
habe einen Nagel herausgezogen, Sire. Von nun an wird er wieder ordentlich
spuren.«
Auch
hier konnte Siegfried nicht helfen. Lucy kümmerte sich aufopferungsvoll um
Gunther und dieser Junge pflegte die Pferde besser, als er es selbst jemals
getan hatte. Er ging ein paar Schritte den Weg entlang und dachte an die
vergangenen Tage zurück. Als er das letzte Mal von hier aufgebrochen war, hatte
er nur ein Ziel - seinen Knappen zu finden. Jetzt war er zurück, und obwohl es
nicht zum Besten um Gunther stand, spürte er doch Zuversicht. Aber wie sollte
es nun weitergehen? Was konnte er mit einem einbeinigen Knappen anfangen? Eine
wirkliche Hilfe wäre ein solcher wohl kaum - ganz im Gegenteil.
Er
könnte schon morgen zur Burg aufbrechen, um seinen wohlverdienten Lohn zu
empfangen. Ob der Graf ihn zu seinem ersten Ritter machen würde? Ein
Drachentöter verdiente es ohne Frage mehr als jeder andere! Und was war mit
Lucy? Auch an diesem Morgen hatte er mehr und mehr Verlangen nach ihr verspürt.
Sie war kein willenloses Weib wie viele andere, das sich einem Mann
bedingungslos unterwarf - und das war auch gut so. Er würde wieder hineingehen
und sie fragen ... also ihr sagen, dass er sie zum Weib nehmen würde ... oder
doch besser fragen.
Verdammt!
Lieber hätte er sich in eine Schlacht mit zehn Riesen geworfen, als auf diesem
Schlachtfeld zu kämpfen, auf dem ihm jegliche Erfahrung fehlte.
Kapitel 27: Die Hexe
»Sire
... Sire«, aufgeregt hetzte eine der Wachen in den Burgsaal, »draußen ist ein
unheimliches Weib«, jetzt zögerte der Soldat, »sie will zu Euch vorgelassen
werden - sofort.«
Edward
schaute dem Wachmann lange in die Augen. »Hat sie gesagt, was sie will?«
»Nein,
Sire.«
»Dann
lasst sie vor. Aber mindestens vier Ritter sollen sie begleiten. Wer weiß, was
dieses Weib im Schilde führt.«
Es
dauerte nur ein paar Momente, bis die alte Frau, von vier wahren Riesen
flankiert, in den Burgsaal geführt wurde. Edward hatte sich erhoben und war ihr
sogar einige Schritte entgegen gegangen. Er hatte ein seltsames Gefühl, welches
er nicht einmal zu beschreiben vermochte. Aber irgendetwas war mir dieser
Alten. Eine innere Stimme sagte ihm, dass er ihr zumindest Gehör schenken
sollte.
»Was
willst du, Weib?«, begrüßte er sie barsch.
Ungerührt
begann die Alte in krächzendem Ton: »Seid gegrüßt, junger Graf.« Sogar ein
gequältes Lächeln brachte sie hervor. »Schon Euer werter Vater hat sich
beizeiten der Dienste meiner Zunft bedient ...«
»Welcher
Dienste?«, unterbrach Edward sie grob, »... wer bist du?«
»Thekla
nennt man mich in Eurer Welt. Das sollte fürs Erste genügen. Ich bin eine«, sie
zögerte kurz, »ich bin das, was Ihr gerne als Hexe bezeichnet.«
»Und
wie willst ausgerechnet du mir helfen? Mit deinen Kräutern und deinen Sprüchen
kannst du mir im besten Fall das wundgerittene Gesäß versorgen, aber ansonsten
...«
»Schweigt,
Ihr närrischer Bengel! Wenn nötig werde ich mit meinen Kräften sogar Euren
mächtigsten Feind besiegen, wenn dieser vor den Toren Eurer Burg lagert - also
hört auf mit diesem kindlichen Geschwätz.«
Edward
zögerte - schien zu überlegen. Hilfesuchend schaute er zu Veit hinüber. Dieser
hielt seinem Blick zwar eisern stand, hatte aber anscheinend ebenso wenig Erfahrung
damit, wie nun zu verfahren sei. Weitere Ewigkeiten vergingen, bis der junge
Graf erneut Worte fand: »Richtet der Alten eine saubere Kammer«, wies er seine
Dienerschaft an, »wir werden ja sehen, wozu du imstande bist. Und jetzt
Weitere Kostenlose Bücher