Drachenblut 01 - Die Väter
troll
dich, Alte - bevor ich es mir anders überlege und dich auf dem Scheiterhaufen
brennen lasse.«
Die
Hexe deutete eine Verbeugung an und entfernte sich mit einem seltsamen Lächeln.
»Ihr werdet es nicht bereuen, junger Graf - Ihr werdet es nicht bereuen ...«
So
bequem hatte sie schon seit mindestens zweihundert Jahren nicht mehr
genächtigt. Zuletzt hatte sie Ewigkeiten in einer feuchten Höhle verbracht, in
die sie ihre eigene Schwester gesperrt hatte. Wie ganze Zeitalter waren ihr die
Jahre in völliger Dunkelheit erschienen. Allein Jahrzehnte mussten vergehen,
bis die ersten ihrer Wunden sich schlossen und sie von Tag zu Tag ein bisschen
mehr Kraft zurückkehren fühlte. Sie hatte sich gegen ihre Schwester aufgelehnt.
Dieses Drachenweib hatte nichts anderes im Sinn als den Fortbestand ihrer
nutzlosen Rasse. Dieses verdammte Teufelsweib! Sie selbst hasste Drachen schon
seit je her. Unberechenbar und dumm waren sie. Zu nichts wirklich nütze. Außer
dass eine Suppe, aus dem Fleisch dieser Ungeheuer, jede Wunde bis zum nächsten
Sonnenaufgang zu heilen vermochte.
Zum
Schluss hatte sie sich ihrer Schwester entgegengestellt und war so derart
unterlegen, dass sie am Ende kaum noch Leben in sich verspürte. Zuerst hatte
sie sogar gehofft, dass ihr eigen Fleisch und Blut es beenden würde. Dann aber,
als sie bereits glaubte den Rest ihres kümmerlichen Lebens auszuhauchen, hatte
sie eine Vision. Es gab noch ganz andere Mächte, die der Drachenzunft
keineswegs wohlgesonnen waren. Wer oder was es war, konnte sie bis zum heutigen
Tage nicht sagen. Nur dass diese Mächte etwas mit ihr vorhatten, war klar. Sie
waren es, die ihr einen großen Teil ihrer Kraft zurückgaben. Wie sonst hätte
sie die Höhle verlassen können, in der sie so lange Zeit als Gefangene gelitten
hatte?
Dann
kam der Tag, der alles veränderte. Sie spürte schon seit Langem, dass eine
große Veränderung bevorstand. Welche, konnte sie nicht sagen, aber sogar in der
ansonsten stockfinsteren Höhle machte sich seit einiger Zeit ein unnatürliches
Licht breit, welches von Tag zu Tag an Intensität zunahm. Dann, sie war aus
unruhigem Schlaf erwacht, wurde sie erneut von einer Vision heimgesucht. Sie
konnte eine andere Höhle sehen; auch ihrer Schwester war dort, die kurz darauf
von einem Drachen mit Haut und Haaren verspeist wurde. Sie hätte vor Glück fast
weinen können. Jetzt erschien ein Ritter auf der Bildfläche, dessen
verzweifelter Kampf gegen die Bestie schon bald aussichtslos wirkte. Plötzlich
aber wendete sich das Blatt und sie konnte sehen, wie ein Schwert die Kehle des
Monsters von oben bis unten teilte. Am Ende sah sie wieder den Ritter, der sich
mit dem Blut des Drachen einrieb um sich dessen Kraft und Härte zu Eigen zu
machen. Danach wurde es wieder völlig Dunkel um sie herum. Geblieben war von
allem nur ein Name, der ihr seither nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte:
»Siegfried«
Edward
saß am Ende der Tafel und schwang große Reden. Deren Inhalt schien jedoch die
wenigsten zu interessieren, denn immer lauter schwoll ein unruhiges Gemurmel
an, welches dem jungen Grafen die Lust auf weitere Ausführungen gründlich
verdarb. Missmutig beäugte er die zahllosen Männer, die, statt an seinen Lippen
zu kleben, mehr und mehr dem Wein ihre Aufmerksamkeit schenkten. Edward sprang
auf, was dafür sorgte, dass es sofort totenstill im Saal wurde.
»Langweile
ich Euch mit meinen Plänen?«, brüllte er und machte sich nun um die Tafel herum
auf. Einem nach dem Anderen schaute er in die Augen und ließ jeden Einzelnen
seine Verachtung spüren. »Gibt es jemanden, der es vielleicht besser weiß als
ich?«, fuhr er in höhnischem Tone fort. »Möchte einer von Euch mir sagen, wie
ich es besser machen könnte?«
»Sire«,
begann einer der altgedienten Kaufleute, »Euer Vater wusste, dass man den
Handel mit zu hohen Steuern zum Sterben oder Abwandern bewegt. Ganz gleich wie
das Schicksal sich entscheidet - besser wird es in keinem dieser Fälle.«
»Mein
Vater ist tot«, brüllte Edward ihm ungehalten entgegen, »wenn du mich fragst,
dann ist es das Beste, wenn du ihm schnellstmöglich folgst!« Jetzt schaute der
junge Graf zu Veit hinüber und nickte zaghaft. Der Ritter sprang entschlossen
auf, um die Tafel mit großen Schritten zu umrunden. Er blieb hinter dem
widerborstigen Kaufmann stehen und starrte erneut seinen Herren an.
»Ihr
könnt doch ni...«, die Stimme des Händlers erstarb. Veits Schwertspitze ragte
aus seiner
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