Drachenblut
jemand einen üblen Scherz mit ihm erlaubte.
Die Schreibmarke wanderte unterdessen erneut über den Bildschirm.
GENAU SIE! GEHEN SIE NICHT WEG, ICH FLEHE SIE AN!
Fred trat einen Schritt zurück und verarbeitete in seinem Gehirn die Verhaltensmuster, die ihm jetzt als Optionen zur Verfügung standen. Er konnte sich auf diese ungewohnte Situation einlassen oder die Aufforderung völlig ignorieren und wirklich alles für einen Spaß halten. Genau für diese Möglichkeit entschied er sich in diesem Augenblick.
Angespannt verfolgte Virgil die Reaktion des Benutzers, der sich zum Gehen wandte und keine Anstalten machte, den freundlichen Gruß zu erwidern. Verbittert musste Virgil zur Kenntnis nehmen, dass dieser Kerl so nicht zu halten war. In der Not versuchte er es auf die harte Tour.
STOPP! ICH BEFEHLE IHNEN HIERZUBLEIBEN!!!
Tatsächlich, der Benutzer trat wieder an den Computer heran. Er wusste freilich noch immer nicht, was vor sich ging, aber einer solchen autoritären Aufforderung konnte er sich unmöglich entziehen.
»Aber hallo, wer spricht denn da?« Fred vergaß, dass er seine Frage manuell mit der Tastatur einzugeben hatte. Die Kinder, die um ihn herum an den anderen Geräten beschäftigt waren, schauten zu ihm herüber, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank.
Virgil verdrehte die Augen und erinnerte Fred an die Spielregeln.
GEBEN SIE IHRE FRAGEN AUSSCHLIESSLICH ÜBER DIE TASTATUR IN DEN COMPUTER EIN!
Kopfschüttelnd las Fred die Mitteilung auf dem Monitor, und er konnte es kaum noch fassen. Diese modernen Computer waren bald intelligenter als die Menschen selbst, und sie verhielten sich zuweilen auch wie leibhaftige Wesen, das war ganz erstaunlich. Um die Leistungsfähigkeit des Computers zu testen, ersann Fred sogleich eine Rechenaufgabe, mit der er das System auf die Probe stellen wollte.
2 x 4 = ?
Er beendete seine Eingabe mit der ENTER-Taste, soweit war ihm die Bedienung eines Computers durchaus geläufig, und wartete auf das Ergebnis. Es dauerte erstaunlich lange, bis sich die Maschine zu einer Antwort bequemte. Zuerst dachte Fred, die Aufgabe würde den Rechner womöglich überfordern, wer wusste, ob der Computer überhaupt das kleine Einmaleins beherrschte, doch dann bewegte sich die Schreibmarke wie von unsichtbarer Hand gelenkt über den Bildschirm.
5
2 x 4 = 5? Einen Augenblick, das konnte nicht richtig sein. Fred konzentrierte sich und errechnete im Kopf einen Wert, der ungefähr bei 8 liegen musste.
Tief drinnen im Computer lachte sich Virgil ins Datenfäustchen. Es war ein boshafter Einfall von ihm gewesen, auf dem Monitor ein falsches Ergebnis anzuzeigen, mal sehen, wie der Benutzer damit zurechtkam.
Fred wiederholte die Eingabe noch mehrmals hintereinander, erhielt jedoch stets dieselbe unbefriedigende Auskunft und wagte es endlich, den Rechner zu belehren.
2 x 4 IST NICHT GLEICH 5. 2 x 4 = 8!
Virgil, der sich fragte, warum der Benutzer ihm diese Rechenaufgabe gestellt hatte, wenn er die Antwort ohnehin schon wusste, beschloss das Experiment zu beenden und auf sein wirkliches Anliegen, nämlich seine Rettung aus dem System, zurückzukommen.
PARDON, DAS WAR EIN KLEINER FEHLER, NATÜRLICH IST …
Doch Virgil kam erst gar nicht dazu, sich zu entschuldigen. Er wurde sofort von Fred unterbrochen, der ihm die Schreibmarke aus der Hand riss und triumphierend in die Tastatur eingab, was ihm die moderne Wissenschaft beigebracht hatte.
EIN COMPUTER MACHT KEINE RECHENFEHLER!
Virgil war beleidigt, weil er ja absichtlich das falsche Ergebnis angezeigt hatte. Dass ihm dies nun als Zeichen der Schwäche ausgelegt wurde, wollte ihm nicht gefallen. Seine Antwort fiel entsprechend menschlich aus.
AUGENBLICK MAL, ICH BIN JA AUCH KEIN COMPUTER - ICH BIN EIN MENSCH (ACHTUNG, DIES IST KEIN SCHERZ!)
War sich Fred vorhin über die Funktionsfähigkeit des Rechners zumindest zeitweise unsicher gewesen, so hatte er nun den endgültigen Beweis für den Zusammenbruch des Systems vor sich auf dem Bildschirm stehen. Ein Computer, der sich als menschliches Wesen begriff? Diese Absurdität war kaum noch zu überbieten, selbst nicht durch die Tatsache, dass sie von einer Maschine von sich gegeben wurde, die, innerhalb ihrer offensichtlichen Fehlfunktion, nach eigenem Bekunden genau wusste, welche Aussagen sie zum Besten gab. Aber
Weitere Kostenlose Bücher