Drachenblut
sich hinter einer Hecke nach Temposündern auf die Lauer gelegt hatten und die sich später bei der Auswertung der Messung noch lange darüber stritten, wer für die unscharfen Beweisfotos verantwortlich wäre.
Der Verein für Bewegungsspiele hatte zu einem Benefizfußballspiel zugunsten einer dubiosen wohltätigen Organisation geladen. Fußball konnte jeder spielen, und wer sich der Herausforderung gewachsen fühlte, der konnte sich jederzeit nominieren. Über die Zusammensetzung der beiden Mannschaften sollte aus dem Pool der Spieler per Los entschieden werden, um Kumpanei und Absprachen unter den Beteiligten zu verhindern. Schließlich sollte die Veranstaltung fair über die Bühne gehen, und es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass der Sieger schon vor dem Anpfiff feststand. Aber an diese alte Geschichte wollte sich der Verein für Bewegungsspiele nur ungern erinnern lassen. In der Presse, insbesondere im STAR, war über diese unrühmliche Episode anlässlich des anstehenden Turniers wieder einmal herumgeschmiert worden. Der Verfasser des Artikels wurde noch am selben Tag von der Gästeliste gestrichen.
Durch eine Indiskretion hatte Gott davon erfahren, dass seine Lieblingsmannschaft an der Veranstaltung teilnehmen würde. Als begeisterter Anhänger von Rasen- und Bewegungsspielen ließ er es sich nicht nehmen, die Gelegenheit zu einem Ausflug in die Stadt zu nutzen und der Veranstaltung seine Aufwartung zu machen. Natürlich hätte er auch zu Hause bleiben und sich die Live-Übertragung des Fernsehens ansehen können. Aber das war kein Ersatz für die Eindrücke, die man durch persönliche Anwesenheit gewinnen konnte. Die Fußballmannschaften bildeten in ihrer Zusammensetzung einen Mikrokosmos, dessen Facetten viel leichter zu überblicken waren, als das mit dem wirklichen Leben möglich war. Gerne zog Gott Parallelen vom Fußballspiel zur menschlichen Gesellschaft. Wie bei einem Fußballspiel war im Leben das Ergebnis nicht immer vorhersehbar. Das lag nicht etwa daran, dass sich Gott nicht die Mühe gemacht hätte, die Prozesse genau zu studieren, sondern daran, dass sich die Spieler nicht immer an die Regeln hielten und in den seltensten Fällen das taten, was die Vernunft geboten hätte. Im Übrigen verglich sich Gott mit einem Fußballtrainer, der seiner Mannschaft vor Beginn des Spieles das Rüstzeug mit auf den Weg gab, damit diese für die anstehende Auseinandersetzung gewappnet war. Ansonsten beschränkte er sich darauf, vom Rand des Spielfelds aus gelegentlich für moralische Unterstützung zu sorgen und vielleicht hier und da kleine Hilfestellungen zu geben, ohne aber entscheidend auf den Spielverlauf einwirken zu können.
Als Gott auf den Parkplatz vor dem Fußballstadion fuhr, herrschte bereits reger Andrang. Kurzerhand fuhr er in einen der letzten freien Stellplätze ein. Dabei ignorierte er die Obszönitäten des Fahrers eines japanischen Kleinwagens, der gerade rückwärts in diese Parklücke stoßen wollte, im Umgang mit seinem Wagen aber nicht die Sicherheit vorwies, die nötig gewesen wäre, um die Lücke rechtzeitig in Beschlag nehmen zu können.
Unversehens war ein dumpfer Knall zu hören. Der Boden bebte, und eine unterirdische Explosion schleuderte auf dem Parkplatz sämtliche Kanaldeckel in die Luft. Dann kamen aus allen Richtungen die Sondereinsatzwagen der Stadtreinigung herangeprescht. Die Kanalschächte wurden umstellt, beißender Qualm stieg empor und verdeckte die Sicht in die Tiefe. Der Kommandant der Einsatzkräfte gab nach oberflächlicher Einschätzung der Lage das Feuer auf die dort unten vermuteten Killer-Drohnen frei. Erst später stellte sich heraus, dass ein versprengter Trupp des Einsatzkommandos versucht hatte, an dieser Stelle aus dem unterirdischen Kanalsystem an die Erdoberfläche zu gelangen. Der Anblick war nicht schön. Am nächsten Tag wurde die Bluttat in einem reißerischen Presseartikel den Killer-Drohnen in die Schuhe geschoben.
Von den meisten Besuchern des Fußballturniers wurde die Säuberungsaktion kaum zur Kenntnis genommen. Manche hielten das Einsatzkommando gar für angetrunkene Hooligans, die schon zu Beginn der Spiele für Wirbel sorgten. Solange man aber selbst vom Pöbel unbehelligt blieb, bestand kein Anlass, sich über die Verrohung der Sitten unnötig aufzuregen. Lediglich der Lenker des japanischen Kleinwagens hatte allen Grund, der Aktion wenig aufgeschlossen gegenüber zu stehen. Einer der durch die
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