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Drachenblut

Drachenblut

Titel: Drachenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lee Parks
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er konnte sie nicht mehr entfalten - vom Fliegen gar nicht erst zu reden. Der Honig drang unbarmherzig in die Poren und Öffnungen seines Körpers ein, legte sich wie ein zäher Film über seine Sinnesorgane und beraubte ihn des Kontaktes mit der Außenwelt.
        So sah Dr. Freak das riesige Auge über ihm nur als verzerrten Schemen, der den gesamten Horizont über ihm einnahm. Verstärkt wurde dieser unheimliche Eindruck durch die Tatsache, dass das Auge durch eine Vergrößerungslinse auf ihn starrte; die fremde Pupille zuckte nervös hin und her und studierte ihn auf das Genaueste. Es dauerte nicht lange, da spürte Dr. Freak eine Berührung an einem seiner Beine. Eine gigantische Pinzette packte das Bein, drehte es im Gelenk herum und riss es dann mit einer kurzen Bewegung heraus. Dr. Freak schrie wie von Sinnen. War denn hier niemand, der ihm helfen würde?
        Zu seiner Verwunderung musste er aber feststellen, dass seine körperlichen Schmerzen nicht wirklich waren. Er empfand nur den Schmerz, den er in einer solchen Situation glaubte verspüren zu müssen. Seine Gefühle waren hier nur Projektion, simulierte Reaktion seines Unterbewusstseins auf einen Traum, dessen Inhalt er emotional bewerten konnte, obwohl er nicht wach war. Aber diese Simulation der Gefühle war nicht nur hypothetisch, sein Schmerzempfinden war eine reale körperliche Erfahrung, die sich gleichwohl nur mittelbar auf das auslösende Moment bezog. Es lag also an Dr. Freak zu bestimmen, wie sehr er leiden musste oder wollte.
        So zappelte und strampelte er mit den verbliebenen Beinen, scheinbar um sich gegen die Gefahr zu wehren, aber doch auch in der Absicht, erst recht auf sich aufmerksam zu machen. Aber es ging in diesem Augenblick nicht wirklich um seine körperliche Unversehrtheit, er hatte ja noch fünf weitere Beine übrig. Dr. Freak ertappte sich dabei, wie er sich diese beklemmende Situation insgeheim herbeiwünschte, er sehnte sich geradezu nach diesem ambivalenten Gefühl aus sanftem Schmerz, aus Hilflosigkeit und Traurigkeit, und er geriet dabei in eine melancholische Stimmung, die zu erreichen das heimliche Ziel seiner Phantasien war. Er wollte für immer leiden und doch befreit werden, er wollte erlöst werden und doch den Schmerz erfahren, der ihn so stark machte. Bei dieser Vorstellung durchfuhr ein angenehmes Zittern seinen Körper. Jetzt wurde es Zeit, dass er aufwachte, dachte sich Dr. Freak. Am Ende kam es noch, dass ihm diese grausamen Träume gefallen wollten.
     
    Für einen fiktiven Fernsehcharakter war Dr. Freak erstaunlich sensibel. Das freilich konnten die meisten Zuschauer nicht ahnen, weil sie von einem Schurken seines Kalibers einfach nur erwarteten, dass er durch und durch böse war. Außerdem litt er sehr darunter, nur von einem drittklassigen Schauspieler verkörpert zu werden. Gerne hätte Dr. Freak dem Publikum mehr von sich und seinen Gedanken vermittelt, aber dazu war jetzt keine Zeit. Er war auf Sendung und musste Bomben legen, Züge entgleisen lassen, Häuser sprengen, finstere Pläne schmieden und all die Dinge erledigen, die sich die Drehbuchautoren Woche für Woche für ihn einfallen ließen. Also schreckte Dr. Freak aus seinem Traum und suchte wieder den Kontakt zur wirklichen Welt. Er hob seinen Kopf, atmete die Luft durch seinen linken Mundwinkel ein und sog dabei den Speichel von seiner Unterlippe auf, der sich von dort über den Schreibtisch zu ergießen drohte.
        Nach seiner überstürzten Flucht aus dem Krankenhaus hatte Dr. Freak am Rande der Stadt in einer verfallenen Lagerhalle Unterschlupf gefunden. Hier reflektierte er in aller Ruhe seine Situation. Verbittert betrachtete er seinen Armstumpf, während seine Erinnerung zurückkehrte. Wie hatte sein Plan so fatal versagen können? Es hatte Monate sorgfältigster Vorbereitung und Planung bedurft, um die beiden Komponenten des Kontaktsprengstoffes über unzählige Mittelsmänner an die jeweiligen Zielpersonen heranzubringen. Keiner dieser Mittelsmänner wusste etwas über die unsichtbare und doch so tödliche Waffe in seinen Händen. Der Briefträger hatte dem Gärtner die Hand geschüttelt, der Gärtner dem Stubenmädchen, das Stubenmädchen dem Sekretär, der Sekretär dem Adjutanten und der Adjutant schließlich dem Präsidenten. Auf diesem Wege waren beide Präsidenten unabhängig voneinander infiziert worden, und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Falle zuschnappen würde. Aber als sich die beiden Staatsmänner

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