Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachenblut

Drachenblut

Titel: Drachenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lee Parks
Vom Netzwerk:
Der Angestellte schaute Arthur kopfschüttelnd nach und beschäftigte sich noch eine ganze Weile mit der Frage, warum sich ein erwachsener Mann wohl den Daumennagel schwarz lackieren würde. Ob es ein Fehler gewesen war, einen solchen Verrückten überhaupt einzulassen? Man hatte ja schon einiges über diese Brüder gehört. Noch zögerte der Angestellte, aber dann nahm er die Teilnehmerliste und schmierte entschlossen mit seinem Stift über Arthurs Namen, bis dieser nicht mehr zu lesen war.
     
    Die Konkurrenz hatte nicht viel zu bieten, stellte Arthur befriedigt fest. Die Hälfte der Schülerarbeiten war in Wirklichkeit von den jeweiligen Eltern gefertigt worden, das sah man auf den ersten Blick. Von der anderen Hälfte der Arbeiten waren etwa zwanzig Prozent in letzter Minute käuflich erworben, des Preisschildes beraubt und als eigene Schöpfungen deklariert worden. Ein paar ganz Schlaue hatten sich sogar die Mühe gemacht, nachträglich Klebstoffreste oder Schmutzflecken anzubringen, um auch bei genauerer Betrachtung den Anschein eines handgefertigten Unikates zu erwecken. Die übrigen Ausstellungsstücke waren kopiert, plagiiert und in einer ziemlich offensichtlichen Art den Werken nachempfunden, die man in den Kaufhäusern, Rahmen inklusive, für einen geringen Betrag erstehen konnte.
        Aber da gab es inmitten dieser einzigartigen Sammlung der bildenden Künste noch ein kleines Mädchen das den Mut aufgebracht hatte, ihre eigene Arbeit auszustellen, und damit war sie, ohne es zu wissen, praktisch schon disqualifiziert. Mit ehrlicher Bewunderung betrachtete Arthur das Kunstwerk des Mädchens. Geschickt hatte sie sich scheinbar des gestellten Themas angenommen und dennoch ihren Protest zum Ausdruck gebracht. Auf die Schulleitung jedoch wirkte die Hilflosigkeit ihres Ausstellungsstückes eher peinlich. Das kleine Mädchen hatte auf eine Kreidetafel mit wenigen Strichen das Schulhaus gemalt, ein Kind schaute aus dem Fenster der Schule hinaus zum Himmel, wo ein Lehrer die Sonne mit einem überdimensionalen Schwamm fortwischte.
        Na ja, ganz nett, befand die Jury, aber vielleicht hätte die Ausarbeitung des Themas etwas detaillierter und umfangreicher ausfallen können. Einer der Preisrichter, offensichtlich der einzige, der selbst einmal jung gewesen war, hatte Mitleid mit dem kleinen Mädchen und beschwor seine Kollegen, mit ihr nicht so hart ins Gericht zu gehen, schließlich sei sie noch ein Kind. Immerhin wären die technischen Fähigkeiten des kleinen Mädchens im Ansatz nicht schlecht. Die Striche seien einigermaßen gerade und zügig gezogen, die Proportionen stimmten ungefähr überein, lediglich die Farbgebung der bleichen Kreidezeichnung ließe etwas Phantasie vermissen. Und damit wandte sich die Jury bedeutenderen Werken zu, wie etwa der Reihe der klassischen Lehrerportraits eines interessanten Nachwuchskünstlers, der im Alter von vierzehn Jahren schon erstaunliches Talent im Umgang mit Öl und Leinwand zeigte. Darauf konnte die Schule wirklich stolz sein.
        Ein weiteres bewundernswertes Beispiel kreativen Schaffens war in der gegenüberliegenden Ecke der Ausstellungshalle zu besichtigen. Eine handgeschnitzte Muttergottesfigur, einschließlich elektrischer Beleuchtung - der Brückenschlag zur Moderne, so versuchte der Vater des jungen Künstlers in Ermangelung einer besseren Ausrede das kitschige Accessoire in aller Eile zu rechtfertigen - sorgte dort für reges Zuschauerinteresse. Die Krönung des geschmacklosen Ausstellungsstückes bestand in einer eingebauten Spieluhr, die das Ave Maria vortrug, sobald man am Heiligenschein der Gottesmutter drehte. Die Religionslehrerin war ganz gerührt und nahm das kostbare Stück vorsichtig in die Hände, um es näher zu studieren. Auf der Unterseite der Ikone entdeckte sie einen kleinen Aufkleber, der mit einem Balkencode sowie einer mehrstelligen Zahl versehen war.
        »Nanu?« die Lehrerin besah sich den Aufkleber genauer. »Was haben wir denn da? Sieht aus wie ein Preisschild.«
        Der Vater warf einen vernichtenden Blick auf seinen Sohn, lächelte anschließend der auf eine Erklärung wartenden Runde verkrampft zu und sah nur noch eine Möglichkeit, die Familienehre zu retten:
        »Nein, nein, meine Damen und Herren, es mag vielleicht aussehen wie ein Preisschild, es ist aber viel mehr. Das Schildchen verkörpert den, nun …«, er dachte angestrengt nach und zerrte endlich eine Worthülse aus seinem Langzeitgedächtnis, mit

Weitere Kostenlose Bücher