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Drachenblut

Drachenblut

Titel: Drachenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lee Parks
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den ihm bekannten Bildern noch ein paar neue ausdachte, und er wusste zu jedem Sternbild gleich eine Geschichte dazu. Das kleine Mädchen erfuhr alles über Perseus, Cassiopeia und Phönix, und sie lernte, wo der Nordstern zu finden war.
        »… und dort drüben, dort drüben steht das Sternbild des kleinen Mädchens«, flüsterte der dicke Sven und deutete mit seiner Pfeife in eine unbestimmte Richtung.
        Das kleine Mädchen musterte ihn, um zu sehen, ob er es ernst meinte.
        »Ja wirklich!« Er nahm einen Schluck Grog und zeigte nochmals hinauf zu den Sternen. »Schau einmal genau hin!«
        »Wo denn, wo denn?« Das kleine Mädchen wurde ganz ungeduldig, weil sie kein Sternbild entdecken konnte, das ihrer Vorstellung von einem kleinen Mädchen entsprach. Sie suchte nach den hellsten und schönsten Sternen, bis sie bald nicht mehr wusste, wo sie am Firmament hinschauen sollte. Überall funkelte und glitzerte es, ohne dass ein Muster oder eine Ordnung erkennbar war. Nur eine Sternschnuppe raste über das Piratenschiff hinweg und verglühte irgendwo im All. Das Mädchen beschloss daraufhin, dem dicken Sven einmal zu glauben, auch wenn sie ihr Sternbild nicht mit eigenen Augen gesehen hatte.
        Mit tiefer Ehrfurcht vor den Wundern der Erde ging das kleine Mädchen zu Bett. Lange dachte sie noch über die Worte des dicken Sven nach. Ob es denn wirklich möglich wäre, zu einem Stern am Himmel zu werden? Vielleicht musste man es sich nur fest genug wünschen. Auf jeden Fall war es eine wunderschöne Vorstellung, eines der vielen Lichter am Firmament zu sein und über die Geschöpfe auf der Erde zu wachen. Das kleine Mädchen genoss es, in diesem melancholischen Gefühl aufzugehen und diese Eindrücke als etwas Kostbares zu bewahren, nicht mit ihrem Verstand, aber mit ihrem Herzen, und sie schlief ein, als am Horizont schon wieder der Morgen dämmerte.
        Die Santa Maria war schon seit vielen Tagen auf hoher See. In unregelmäßigen Abständen kamen andere Schiffe vorbeigefahren. Dann zog man die Piratenflagge auf, und die anderen Schiffe wurden aufgebracht und mit Mann und Maus versenkt.
        Mit der Zeit lernte das kleine Mädchen auch die anderen Piraten näher kennen, die auf der Santa Maria angeheuert hatten. Außer dem dicken Sven gab es noch den alten Piet, der an Bord sein Gnadenbrot erhielt, weil sein Bruder in Port Esmeralda eine beliebte Hafenspelunke betrieb. Der alte Piet war auf einem Ohr taub, und er sah nur noch schlecht, um nicht zu sagen: er war so gut wie blind. Dafür konnte er hervorragend Knoten binden, und das tat er für sein Leben gern. Einen simplen Palsteg? Für den alten Piet kein Problem. Einen Stoppersteg, einen anderthalbfachen Rundtörn oder gar einen Achterknoten? Der alte Piet kannte sie alle, auch wenn ihm die Fertigung eines Knotens heute nicht mehr so flink von der Hand ging wie früher und er sich bei der Vorführung seiner Künste nicht selten hoffnungslos verstrickte und unfreiwillig einen neuen, höchst komplizierten Knoten erfand.
        Und da gab es noch einen Mann an Bord, den man zwar kaum zu Gesicht bekam, den aber alle fürchteten. Das war der Kapitän, der sich nur selten unter seinen Männern zeigte. Wahrscheinlich, so munkelte man, weil er damit beschäftigt war, sich an den Goldschätzen zu ergötzen, die er in seiner Kajüte eingeschlossen hatte. Dem Mädchen erzählte man wahre Schauergeschichten über den Kapitän, und sie war sich nicht mehr sicher, ob es erstrebenswert wäre, diesen Mann persönlich kennenzulernen.
        Eines Tages war dem kleinen Mädchen aufgetragen worden das Vorderdeck zu schrubben. Mit Wasser und Bürste bewaffnet machte sie sich an die Arbeit, auch wenn sie mehr Lust gehabt hätte, einfach in ihrer Hängematte zu liegen und in den Tag hineinzuträumen. Na gut, wenn sie sich beeilte, dann konnte sie nachher noch den Feuerquallen zusehen, die dicht unter der Meeresoberfläche am Schiff vorbei trieben und sich in der Sonne wärmten. Bei der Aussicht auf dieses prächtige Schauspiel war das kleine Mädchen gleich besser gelaunt. Mit frischem Elan arbeitete sie sich rückwärts in die Mitte des Decks vor. Dabei stieß sie mit ihrer Hüfte an den Wassereimer, den sie hinter sich stehen hatte. Der Eimer kippte um, das schmutzige Wasser ergoss sich über das Deck und schwappte über die polierten Lederstiefel, die in diesem Augenblick an das Mädchen herantraten.
        »Nanu?« Der Kapitän hob seine

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