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Drachenblut

Drachenblut

Titel: Drachenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lee Parks
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denen sie gerne aus dem Weg gegangen wäre.
        Erdkunde. »Die industrielle Nutzung konnte nach Einigung der miteinander konkurrierenden Kartelle …«
        Während der Lehrer an der Tafel stand und sich an der schematischen Darstellung eines Erzbergwerkes versuchte, wurden aus den hintersten Reihen Bolzen an die Köpfe der weiter vorne sitzenden Schüler geschossen. Der Lehrer konnte anhand der sich breit machenden Unruhe ahnen, dass etwas vor sich ging, war aber jedes Mal zu langsam, wenn er sich umdrehte, um nach den Übeltätern zu sehen. Weil es ihm nicht gelang, die Sache zu unterbinden, bestrafte er einfach einen Unschuldigen mit Nachsitzen. Diese Drohung wirkte auch auf die Anarchisten, und die Kämpfe flauten etwas ab.
        Endlich, die Pausenglocke. Die Kinder strömten auf den Schulhof, und während die Lehrer gierig den Rauch ihrer filterlosen Zigaretten inhalierten, zogen die älteren Schüler los, um ihre Schutzgelder einzutreiben.
        Das kleine Mädchen versuchte noch jemanden zu finden, bei dem sie die Hausaufgaben für die anstehende Biologiestunde abschreiben konnte. Für ein Päckchen Kaugummi und einen Satz Sammelbilder, den sie bis morgen noch schuldig bleiben musste, konnte sie den Ärger mit dem Lehrer abwenden.
        »Die Fruchtstände der gemeinen Forsythie, dass mir das jeder richtig schreibt, bilden sich erst in der zweiten Woche …«
        Um zwölf war die Schule aus. Nachdem das kleine Mädchen das Wasser aus ihrer Schultasche geschüttet und ihre Hefte und Bücher wieder notdürftig getrocknet hatte, machte sie sich auf den Nachhauseweg. Wie jeden Tag schaute sie bei ihrer Freundin vorbei, die im Schaufenster eines großen Kaufhauses wohnte. Das Schaufenster lag an der Rückseite des Gebäudes, wo sich die Boteneingänge befanden und nur sehr wenige Menschen vorübergingen. Meistens waren in dieser Gegend nur ein paar verwahrloste Katzen anzutreffen, die sehr genau wussten, welche Köstlichkeiten es in den Mülltonnen zu finden gab, die in der Nacht von betrunkenen Nachtschwärmern umgestoßen worden waren.
        An der verstaubten und ausgeblichenen Dekoration war zu erkennen, dass sich schon lange niemand mehr um das Schaufenster gekümmert hatte. Wahrscheinlich lohnte es sich nicht, die Auslagen für die Kunden zu herzurichten. Alles machte einen heruntergekommenen Eindruck, und die Schaufensterpuppe war der einzige Lichtblick, der sich dem Auge des Betrachters bot. Wenn sie erwachsen war, wollte das kleine Mädchen wie ihre Freundin aussehen, groß und schlank, mit stolzem und ungebrochenem Blick, der die Würde widerspiegelte, mit der sie ihre Lebensumstände ertrug.
        Das kleine Mädchen verweilte einige Zeit bei ihrer Freundin und setzte dann seinen Weg fort, vorbei an der Mühle am Hopfenbach, immer weiter, bis zum abgelegenen Steinbruch, in dessen Mitte sich ein kleiner See befand. Die Bagger und Schaufellader, die hier mit ihren stählernen Zähnen die Felsbrocken aus der Erde gerissen hatten, waren schon lange wieder verschwunden, ebenso wie die Arbeiter, die sich alle Mühe gegeben hatten, die stinkenden und lärmenden Maschinen zu beherrschen. Aber dafür gab es jetzt den See, und es war immer eine gute Idee, Kieselsteine oder kleine Holzstücke ins Wasser zu werfen. So schlug das kleine Mädchen den Pfad ein, der hinunter zum Steinbruch führte.
        Am See herrschte ein buntes Treiben. Ein Piratenschiff hatte am Ufer angelegt. Das Schiff trug den stolzen Namen Santa Maria, und es sah alles danach aus, als würde es für eine neue Reise bereitgemacht. Pferdegespanne fuhren heran, Kisten mit Zitrusfrüchten wurden entladen, Fässer mit Wein und Öl, Körbe mit Kokosnüssen, lange Stangen, an denen Schwarten getrockneten Specks hingen, pralle Säcke, die mit Gewürzen gefüllt waren, und es roch nach Pfeffer und auch nach Dung, der von den Tieren stammte, die an Bord des Schiffes getrieben wurden. Die Piraten waren mit Eifer bei der Arbeit. Sie sangen wüste Lieder, benahmen sich ungehobelt, stahlen und betrogen sich gegenseitig, waren aber doch ein Volk von unbekümmerten Seefahrern, denen das Herz vor Lebensfreude nur so überquoll.
        Neugierig verließ das kleine Mädchen seinen Beobachtungsposten und wagte es, sich unter die Menge zu mischen. Die Piraten hatten aber viel zuviel zu tun, um sich an der Anwesenheit des Mädchens zu stören, das die frische Seeluft tief einatmete. Sie roch den Trockenfisch, der an Bord gebracht

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