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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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wieder Vögel zu sehen«, pflichtete ich ihm bei. »Der Winter verliert seine Kraft.«
    »Die Enten sind sehr mager«, sagte er, »fast wie die gerupften Vögel, die wir in dem Dorf gesehen haben. Aber jetzt, wo das Eis aufgebrochen ist, fressen sie wie verrückt.«
    Ich runzelte die Stirn, ich erinnerte mich an die mageren Enten, verstand aber nicht, warum ihm das wichtig war. Er sah mich mit seinen ernsten zweifarbigen Augen an.
    »Warum fliegen hungrige Enten dann aber hoch über dem Wasser?«
    Ich brauchte einige Sekunden, bis mir die Antwort einfiel, und als ich sie wusste, fing mein Herz an zu rasen, dass ich dachte, es würde mir die Brust zerreißen. Alle erschraken, als ich plötzlich einen Satz machte und sie anschrie.
    »Rudert, ihr Hundesöhne – rudert!«
    Wir waren zu wenige, und es war zu spät. Die langen schwarzen Formen glitten näher heran; sie kamen von dort, wo sie die fressenden Enten aufgescheucht hatten, und schienen förmlich hinter uns herzufliegen, an Bord Wladimir und bewaffnete Krieger seiner Druschina.
    Zwei Schiffe. Mir sank das Herz in die Stiefel. Eins wäre schon genug gewesen. Schließlich befahl ich meiner Mannschaft, die Ruder einzuziehen, worauf sie hastig anfingen, Waffen und Kettenhemden hervorzukramen, noch ehe sie recht zu Atem gekommen waren.
    »Das dürfte ein aufregender Tag werden«, knurrte Finn, der neben mir in den Bug kletterte.
    Vielleicht unser letzter, dachte ich, als ich meine einzige
Waffe umklammerte – eine Zimmermannsaxt, die ich an Bord gefunden hatte. Sie brauchten nichts weiter zu tun, als sich zurückzulehnen und zu warten, bis die Slawen uns mit ihren Bogen niedergeschossen hatten; die Hälfte von uns hatte keine Schilde mehr, und wir hatten nur noch einen Bogen und eine Handvoll Pfeile.
    Die Boote kamen näher, im Bug des einen standen Dobrynja und der kleine Wladimir, im anderen waren Sigurd Axtbiss und ein merkwürdiges Geschöpf, halb Mensch, halb Tier, das mir eine Gänsehaut bereitete, bis ich merkte, es war Kveldulf, der sich einen Wolfspelz um die Schultern gelegt hatte und eine Maske über dem Helm trug.
    »Das trifft sich gut«, murmelte Finn, »mit dem hatte ich ohnehin noch ein Hühnchen zu rufen.«
    »Ist er wirklich ein Nachtwolf?«, fragte Ref ängstlich.
    »Wenn er tatsächlich einer ist und seine Gestalt verändern kann«, erwiderte Onund verächtlich, »dann haben wir nicht viel zu befürchten, denn es ist ja heller Tag.«
    Sie kamen näher. Jetzt waren sie nur noch zwei Bootslängen entfernt, sie ruderten rückwärts, und das Boot hielt an. Träge trieben wir nebeneinander her, wobei wir uns fast unmerklich drehten.
    »Gebt uns Prinz Olaf zurück und den Schatz, den ihr gestohlen habt«, hörte ich Wladimirs schrille Stimme. Mir kam es aber so vor, als sei das nicht wirklich das, was er wollte; sondern er versuchte nur, nahe genug an uns heranzukommen, um seinen kleinen Speer schleudern zu können und uns mit seinem Schlachtruf Idu na vy bis auf den letzten Mann abzuschlachten. Was ihn davon abhielt war …
    Krähenbein. Der schob sich zwischen Finn und mir hindurch und stand offen für jeden Pfeil im Bug, was es den anderen unmöglich machte, auch nur zu versuchen, auf
uns zu schießen. Ich legte ihm die Hand auf die Schulter: Denn trotz seines unheimlichen Seidr, trotz allem, was er uns eingebrockt hatte – ich mochte den Jungen und wollte nicht, dass ihm etwas passierte.
    Einen Moment sah er zu mir hoch, dann wandte er sich wieder nach vorn und hielt die Hände an den Mund. »Es war einmal ein Mann«, rief er mit hoher, schriller Stimme, »nennen wir ihn Wladimir …«
    »Jetzt ist nicht die Zeit für solche Scherze«, unterbrach ihn Dobrynja, und seine tiefe Stimme hallte über das Wasser.
    »Wladimir musste mit seinem Schlitten einen weiten Weg zum Wald fahren, um Brennholz zu holen«, fuhr Krähenbein unbeirrt fort. Seine Stimme war wie ein Pfeil, der auf den Prinzen gerichtet war. »Da begegnete er einem Bären, der sein Pferd verlangte, sonst drohte er, bis zum Sommer alle seine Schafe zu reißen.«
    »Prinz Olaf«, versuchte Dobrynja es wieder, er verstummte jedoch, als Wladimir, der aufmerksam zugehört hatte, gebieterisch die Hand hob. Das grimmige Gesicht seines Onkels glich dem von Peruns hölzernem Standbild.
    Die Boote kamen sich etwas näher, damit Krähenbein nicht so zu schreien brauchte.
    »Der Mann hatte die Wahl, zu erfrieren oder sich auf diesen Handel einzulassen«, fuhr Krähenbein fort. »Denn niemand

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