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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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Sigurd brachte ihn mit einem kräftigen Schlag auf die Schulter zum Schweigen.
    »An dich erinnere ich mich auch, Nachtwolf«, erwiderte Olaf. »Und an meine Mutter ebenfalls.« Jetzt war seine Stimme kaum noch ein Flüstern, aber sie wurde übers Wasser getragen wie das Zischen einer Schlange, und es sträubten sich mir die Nackenhaare.
    »Übergib uns den Jungen«, befahl Dobrynja.
    »Du hast mir gesagt, dass ich eines Tages für die Freundschaft von Prinzen dankbar sein würde«, sagte ich, und dabei lief mir der Angstschweiß den Rücken hinunter. »Aber auch diese Sache hat zwei Seiten – nämlich dass ein Prinz auch für die Freundschaft der Eingeschworenen dankbar sein könnte.«
    »Ich bleibe bei Jarl Orm«, rief Krähenbein mit seiner Kinderstimme. »Bis er mich nach Groß-Nowgorod bringt, wo er sein Schiff wieder übernimmt. Wenn ihm dabei etwas zustoßen sollte, würde ich das nicht als das gute Benehmen eines Prinzen betrachten.«
    Er sagte nicht, welche Konsequenzen das haben würde, und komischerweise dachte auch niemand daran, zu fragen, was ein solcher Junge dann machen würde – aber alle hatten wohl ihre eigenen Vorstellungen davon. Nur einer hatte keine Angst und brüllte seinen Ärger hinaus.
    »Scheiße!«, schrie Kveldulf, und hinter ihm hörte man die Männer murmeln. Ich merkte, dass einige von seiner
Bootsmannschaft zu Lambissons Männern gehörten, nämlich die, die geflohen waren und Fisch zurückgelassen hatten. Und ich fand, dies könnte eine gefährliche Mannschaft sein.
    »Und kommst du dann in Nowgorod zu mir?«, wollte Wladimir wissen.
    »Ich verspreche es«, erwiderte Krähenbein. »Bald wirst du Männer brauchen, die für dich kämpfen, Prinz Wladimir, wenn du Großfürst von Kiew werden möchtest. Zusammen werden wir alle deine Feinde in die Flucht schlagen. Und Jarl Orm hier ist ein größerer Schatz als alles Silber. Wenn du jetzt gegen ihn kämpfst, verlierst du auch ihn als Helfer – und es würde mich nicht wundern, wenn auch mir dann zufällig eine Klinge den Hals durchschneiden würde.«
    Das war eine Voraussage, von der ich eine Gänsehaut bekam, und ich war nicht der Einzige, wie ich dem Gemurmel um mich entnahm. Kveldulf blieb ungläubig der Mund offen stehen, er war so entgeistert, dass er nichts mehr sagen konnte. Auch ich war ziemlich fassungslos; hatte dieser Neunjährige wirklich gerade behauptet, ich würde ihn töten, wenn wir angegriffen würden? Hatte er mich gerade dazu verpflichtet, Wladimir im Machtkampf gegen seine Brüder zu helfen?
    Es folgte eine kurze geflüsterte Beratung, dann tönte Dobrynjas Donnerstimme übers Wasser.
    »Der Prinz ist einverstanden«, verkündete er laut. »Zieh in Frieden und nimm mit, was du hast, Jarl Orm. Bring Prinz Olaf unversehrt am Ende des nächsten Sommers nach Nowgorod. Wenn nicht, wird der Prinz auf dich Jagd machen und dich und alle deine Männer an der Wolchowbrücke pfählen lassen.«
    »Bei Thors Arsch, nein!«, brüllte Kveldulf, der abwechselnd
rot und wieder blass geworden war. »Habe ich mich dafür halb tot gerudert?«
    »Du bist dafür bezahlt worden«, schnauzte Dobrynja ihn an, »und du wirst dich fügen. Einen Pfahl kann man hier genauso leicht finden wie in Groß-Nowgorod.«
    Ich würgte Finns Lachen gerade noch rechtzeitig ab, indem ich ihm meinen Ellbogen in den Bauch stieß, denn in dieser Situation hielt ich es für das Beste, bescheiden zu schweigen. Gisur befahl alle an die Riemen, und wir beeilten uns, von hier wegzukommen, nachdem noch vor ganz kurzer Zeit der sichere Tod auf uns gewartet hatte. Wir konnten unser Glück kaum fassen.
    Erst viel später, als wir nach Atem ringend und schweißüberströmt wagten, eine Pause einzulegen, wurde uns unser Glück bewusst. Wir waren entkommen. Wir waren am Leben geblieben.
    Finn, der so müde war, dass er seinen Mund nicht einmal mehr richtig schließen konnte, drehte sich zu Krähenbein um, den Thordis gerade mit feuchten Augen in ihren Umhang hüllte. Er tätschelte den Jungen, als sei er ein besonders gelehriges Hündchen.
    »Bei Odins Arsch, kleiner Olaf«, brummte er bewundernd. »Wenn ich noch einmal über deine Geschichten schimpfe, dann erinnere mich einfach an den heutigen Tag, und ich werde sofort meinen Mund halten.«
    Olaf sagte nichts, er blickte auf den Fluss hinaus. Man sah nicht viel mehr von ihm als den blonden Haarschopf, der aus Thordis’ Umhang herauslugte. Nervös fuhr ich herum, aber es war nichts, und als ich Krähenbein ansah,

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