Drachenboot
seine Männer zum Weiterziehen zu bewegen.
»Wie schwer?«, wollte ich wissen. Ich war ebenfalls wütend und wollte ihm diese peinliche Situation nicht ersparen. Sein Blick, bei dem die Haut um seine silberne Nase ganz weiß wurde, sagte genug.
»Dann gehen wir ohne euch weiter«, sagte ich. Ich hoffte, das klang mutig genug für einen Nordmann, wünschte aber gleichzeitig insgeheim, ich wäre auch einer von den Slawen. Finn stieß ein unternehmungslustiges »Heya« aus. Er ärgerte sich noch immer, dass er im ungünstigsten Moment gestürzt war, und er wollte sich und Odin unbedingt beweisen, dass diese schuppigen Geschöpfe für ihn und den Godi kein Problem darstellten.
»Ich komme mit, wenn du willst«, sagte Morut, und ich
nickte, denn seine Fähigkeiten im Spurenlesen würden nützlich sein.
»Ich auch«, sagte Avraham, »denn so was habe ich noch nie in meiner Steppe gesehen, und ich möchte gern Näheres darüber wissen.«
»In deiner Steppe …«, spottete Morut.
»Meine so gut wie deine«, sagte Avraham trotzig. Sofort fingen sie wieder eines ihrer Streitgespräche an, die sie zu ihrem Wohlbefinden genauso brauchten wie ein Nordmann sein warmes Feuer und ein Haus mit guten, dicken Wänden.
Krähenbein wollte auch mitkommen, was mutig von ihm war, aber Sigurd sagte ihm – und zwar energischer, als er bisher mit ihm umgegangen war –, er solle jetzt seinen Mund halten und bleiben, wo er war. Krähenbein gehorchte ausnahmsweise einmal ohne Widerspruch.
Wir ließen sie am Teich zurück, wo sie Holz für ein Feuer sammelten, aber nicht besonders erbaut davon waren, dass sie ausgerechnet hier warten sollten. Sie wagten sich nicht in die Nähe des Toten, doch immerhin brachten sie Gesilo fort, um ihn zu beerdigen.
»Ich habe ihm ja gesagt, dass ihm Krähenbeins Geschichte nicht gefallen wird«, sagte Avraham mit grimmigem Lächeln, das jedoch schnell erstarb, als er die Gesichter der Männer sah. Er beeilte sich, Morut einzuholen, der sich bereits auf den Weg gemacht hatte.
Eine Stunde später war die Sonne über den Rand der Welt gestiegen, aber immer noch nicht über diesen Berg. In seinem Schatten blieb der kalte Nebel hängen und waberte, stellenweise dick wie ein Federbett, zwischen den kahlen Bäumen.
Und aus einem dieser Federbetten kam der Angriff. Morut ging voraus und richtete sich nach Zeichen, die nur er
lesen konnte – ein umgedrehter Stein oder ein frisch abgebrochener Zweig, alles Dinge, die andere kaum wahrnahmen. An einer Wegbiegung zwischen den Felsen kniete er sich hin, um sich den Boden genauer anzusehen, als ein Speer über seine Schulter hinwegpfiff, über den gefrorenen Boden schlitterte und beinahe meine Zehen mitgenommen hätte.
»Formieren!«, schrie ich aus reiner Gewohnheit, und wie von selbst glitten Finn und Kvasir mit erhobenen Schilden an meine Seite. Drei Gestalten sprangen von den Felsen. Sie waren der ersten ähnlich, doch einer hatte einen Schild, und ein anderer war bekleidet, er trug eine Pelzmütze, und man sah keine Spur von Schuppen.
Morut, der am Knie getroffen war, ließ sich zur Seite rollen und robbte aus dem Weg. Mit einem Schrei sprang Avraham vor und wurde von einem Schaufelstiel getroffen, ein Schlag, der eigentlich für den Spurenleser gedacht war. Der Schlag traf Avrahams geschützten Unterarm mit einer Wucht, dass er einen Schmerzenslaut ausstieß, doch sein Hieb traf das schuppige Wesen unterhalb der Rippen, und es schrie laut auf.
Der Mann mit der Pelzmütze kam auf mich zu, er schwang eine große Spitzhacke und hoffte offenbar, durch Geschwindigkeit und die Wucht des Aufpralls meinen Schild zu zerschmettern. Er hatte einen roten Bart und wilde Augen, der Mund war weit aufgerissen.
Doch in dem Moment, als er mich erreicht hatte und mit der Spitzhacke zuschlagen wollte, trat ich zur Seite, und der Mann rannte zwischen Kvasir und mir hindurch. Es war nicht genau auszumachen, welches unserer Schwerter ihn tötete, denn wir brachten ihm beide schwere Verwundungen bei, und er stürzte und schlitterte mit dem Gesicht über die Felsen.
Der Letzte, der kräftiger war als die anderen, hatte seinen Speer schon geschleudert, eine andere Waffe hatte er nicht. Er stürmte vorwärts und warf sich brüllend und fauchend auf Finn, der den Aufprall mit seinem Schild auffing und hintenüberfiel. Der Mann krallte sich fest und biss wütend in den Rand, er hatte Schaum vor dem Froschmaul, und seine schuppige Fratze war dicht vor Finns Gesicht.
Sie kämpften
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