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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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lachte nur und stieg auf sein zotteliges Steppenpony. Er ritt in den Morgendunst und verschwand, und die Männer mit ihren wirren Bärten und den langen ledergefütterten Kettenhemden sahen ihm nach und wünschten sich seinen Mut.
    Ich legte Krähenbein die Hand auf die Schulter.
    »Es ist Zeit für dich zu lernen, dass auch eine Stille wie diese ihren Wert haben kann«, sagte ich zu ihm, und er nickte. Jetzt war er nur noch ein blasser, ängstlicher Neunjähriger.
    Die Männer der Druschina waren ziemlich unglücklich, als sie erfuhren, dass sie jetzt ihre Pferde zurücklassen und sich diesem dunklen Fels zu Fuß nähern mussten. Finn, Kvasir und ich dagegen waren erleichtert, und als wir unsere einfachen Kettenhemden überstreiften, bedachten uns die Slawen, die schwer an ihrer Rüstung trugen, mit neidischen Blicken. Ihre Schutzkleidung war zum Reiten an den Beinen geteilt und reichte bis an die Knöchel hinunter.
    Wir warteten, bis Morut wieder erschien. Er wischte sich die Nässe vom Gesicht.
    »Da vorn ist ein Teich mit frisch aufgehacktem Eis«, sagte er. »Es ist gar nicht weit von hier, gerade dort, wo es
steil den Berg hinaufgeht. Dort holen sie sich bestimmt ihr Wasser – und das muss erst vor Kurzem passiert sein. Zu den Felsen führt ein Pfad hinauf.«
    »Und wie steht’s mit den grünhaarigen Jungfrauen?«, fragte Finn verächtlich. »Kämmen sie schon ihr Haar?«
    Morut lachte, und die schwerfälligen Slawen verdauten erst mal seine Bemerkung über die Felsen und den Aufstieg. Das war nicht gerade das, was diese großen, bärtigen Krieger hören wollten, aber Sigurd rückte nur seine Silbernase gerade, durch die ein verächtlicher leiser Pfeifton drang. Sie luden sich die Schilde auf den Rücken, hielten ihre Schwerter umklammert und stolperten los, wobei ihnen die schweren Mäntel gegen die Füße schlugen. Die Männer, die zurückgeblieben waren, um die Pferde zu bewachen, waren nicht viel glücklicher, sie waren nur wenige und blickten ängstlich um sich.
    Der Teich war genau so, wie Morut ihn beschrieben hatte, weißes, undurchsichtiges Eis mit einem schwarzen Loch in der Mitte, wo es aufgehackt worden war. Wenn es eine Spur zu dem Wasserloch gab, so sah ich sie nicht, aber das war auch nicht notwendig, denn wir sahen einen Jungen mit einem Ledereimer davonrennen; er war flink wie ein Hase, doch genauer hätte er uns den Weg auf den Berg nicht zeigen können.
    Mit Triumphgeschrei trampelte die gesamte Druschina hinter ihm her, auch wenn Sigurd die Männer brüllend aufzuhalten versuchte. Finn blieb stehen, blies ein paar Tropfen vom Schnauzbart und schüttelte den Kopf.
    »Können Ochsen einen Hasen fangen? Ich setze auf den Jungen.«
    Er gewann, allerdings nur knapp. Im Rennen drehte der Junge sich nach den lärmenden Männern um, die hinter ihm herpolterten – und lief gegen einen Baum. Er fiel rückwärts
auf seinen Hintern, und der Eimer hüpfte den Abhang hinab, wo ihm einer der Slawen mit Freudengeheul einen Fußtritt versetzte.
    Natürlich wurde der Junge gefangen. Er war torkelnd wieder aufgestanden und schnappte mühsam nach Luft. Ich sah dunkles wirres Haar, Felle und wollene Lumpen. Er war barfuß, also in dieser Kälte so gut wie verloren.
    Als Erster war Gesilo bei ihm. Er streckte die Hand aus, um ihn zu packen, die schwere, scharfe Klinge in der anderen.
    »Ich will ihn lebend«, brüllte Sigurd, aber wer weiß, was der Slawe vorhatte. Er kam nicht mehr dazu, denn kaum hatten seine harten, schwieligen Finger den Jungen berührt, als mit gellendem Schrei eine Gestalt zwischen den schneebedeckten Felsen hervorbrach und ein Speer Gesilo mitten ins Gesicht traf.
    Er heulte auf und fiel nach hinten, sein Unterkiefer hing lose herab, und das Blut spritzte. Eine Hand griff nach dem Jungen und schob ihn weiter den Berg hinauf. Ich nenne es eine Hand, aber eigentlich war es eine Klaue. Das Geschöpf, das sich vor den Jungen gestellt hatte, breitbeinig, mit warnendem Fauchen und mit dem Speer bewaffnet, ließ alle Slawen wie festgewurzelt stehen bleiben.
    Es hatte die Gestalt eines Mannes, doch das Gesicht war aus der Form geraten, als hätte man die Knochen zusammengequetscht und die Haut fest darüber gespannt, sodass es wie ein Frosch mit breitem Maul aussah. Die Augen quollen hervor, dazu hatte es einen schütteren Bart und dünnes strähniges Haar. Das Etwas war nackt bis auf ein Fell, das es um die Lenden geschlungen hatte.
    Und es war schuppig. Jeder sichtbare Teil seines Körpers.

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